Herr Raschle, Sie sind ein Star unter den Headhuntern. Sie wissen, was die führenden Kräfte der Schweizer Institutionen unbedingt können sollen. Danke, dass Sie offen sagen, was viele leise meinen: Die französische Sprache ist unnnötig. Sogar für den zukünftigen Boss der SBB.
Deutsch hingegen, ja klar, unbestritten. «Weil der CEO Parlamentsvertreter überzeugen können muss und mit der Bevölkerung kommuniziert.» Die Bevölkerung? Meinen Sie die deutschsprachige Bevölkerung? Sind die Welschen so unwichtig geworden? Entschuldigung, noch haben sie das Stimmrecht und auch das Recht, den obersten Chef unserer Züge direkt und scharf zu befragen. Oder habe ich etwas verpasst?
Ist das nicht besorgniserregend?
Sie sagen: «Mit Französisch als Bedingung werden rund 75 Prozent der potenziellen Kandidaten ausgeschlossen. Topleute unter 40 Jahren sprechen heute nicht mehr fliessend Französisch.» Sind unsere Hochschulen kulturell so begrenzt geworden? Ist das nicht besorgniserregend, sogar in der Welt der Wirtschaft? Studieren in New York oder Chicago ist sicher gut. Eine Zeit in der Westschweiz würde aber wirklich nichts bringen? Das wäre doch der kürzeste Weg, um eine andere Denkart zu probieren.
Armeekommandos nur auf Deutsch
Diese Verachtung der mehrsprachigen Schweiz empört die Romands. Der neue Chef der Armee nahm bei seiner ersten Pressekonferenz die Fragen nur auf Deutsch entgegen. Er kann nicht Französisch. Man stelle sich die Lage vor: Der Quasi-General besucht das Feld und kann sich nicht mit den Französisch sprechenden Soldaten – einer von vier – direkt, ohne Dolmetscher unterhalten. Eine Premiere in der Geschichte!
Okay, Herr Süssli hat versprochen, sich in den nächsten vier Monaten zu verbessern. Der hochkompetente und hochbegabte Offizier wird es tun. Ein zweifelndes Lächeln ist aber erlaubt. Wir haben diese Versprechen so oft gehört. Mit erbärmlichen Ergebnissen am Ende.
Verarmt und trivialisiert
Selbstverständlich gilt dieser Wunsch in beide Richtungen. Ohne gute Deutschkenntnisse sind die Romands aus dem Spiel der nationalen Karriere. Die Kandidaten für hohe Jobs haben das schon lange erfahren. Umgekehrt nicht.
Diese einsprachige Schweiz ist nicht meine Schweiz. Sie verrät die schönsten Traditionen dieses Landes. Sie verarmt und trivialisiert sich selbst.
Jacques Pilet (75) ist einer der profiliertesten Journalisten der Westschweiz. Unter anderem gründete er das Nachrichtenmagazin «L’Hebdo», das Kulturmagazin «Emois» und den «Nouveau Quotidien». Er war Berater von Ringier und publiziert regelmässig im Online-Magazin «Bon pour la tête».