Gopfried Stutz
Wie Ausgewogenheit aussehen sollte

Die paritätische Vertretung im Stiftungsrat der 2. Säule ist grundsätzlich eine grossartige Sache – aber nur grundsätzlich.
Publiziert: 22.10.2022 um 13:10 Uhr
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In öffentlich-rechtlichen Kassen sollten nicht die Chefs die Interessen der Arbeitgeber vertreten, ...
Foto: Keystone
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

Der Gewerkschafter Elio Marazzi, vor 75 Jahren geboren, hat eine langjährige Erfahrung im Bereich der beruflichen Vorsorge. Im Fachmagazin «Schweizer Personalvorsorge» sagte er: «Die paritätische Verwaltung der 2. Säule ist eine grossartige Sache.»

Ist sie das? Es wäre doch schön, an dieser Stelle auch mal was Positives über die baufällige 2. Säule zu schreiben. So will ich dem Gewerkschafter nicht widersprechen, aber trotzdem meine zwiespältige Beobachtung kundtun.

Es war vor über 20 Jahren. Der Grossaktionär jenes Verlagsunternehmens, in dessen Stiftungsrat ich als Arbeitnehmervertreter wirkte, war auch Besitzer einer Bank und eines Immobilienunternehmens. Es war somit naheliegend, dass das Wertschriften- und Immobilienportefeuille der Pensionskasse von ebendiesen Firmen betreut wurden. Ich ortete hier einen Interessenkonflikt und stellte den Antrag, dies zu überprüfen. Dem Management war das sehr unangenehm. Der Finanzchef, ein Studienkollege von mir, versuchte dann auf kollegialem Weg, mich von meinem Vorhaben zu distanzieren.

Ich sagte ihm: Wo ist dein Problem? «Ihr Arbeitgeber stimmt so oder so dagegen, und du als Stiftungsratspräsident hast den Stichentscheid.» Er lächelte. Die Sache ist dann auch so gelaufen.

Später, im Stiftungsrat einer anderen Pensionskasse, erlebte ich, wie der Leiter der Immobilienabteilung an seiner letzten Sitzung vor seiner Pensionierung meinem Antrag für eine höhere Verzinsung des Pensionskassenguthabens zustimmte – als einziger der Arbeitgebervertreter. Er dürfte damit sein Altersguthaben um gut 10'000 Franken aufgestockt haben. Das Problem besteht darin, dass sogenannte Arbeitgebervertreter in Wirklichkeit Arbeitnehmer sind, also wie alle anderen auch in der Pensionskasse versichert sind.

Beim dritten Beispiel war ich höchstens als Steuerzahler betroffen. Die Pensionskasse Bolligen-Ittigen-Ostermundigen (B-I-O), bei der die Gemeindeangestellten der drei genannten Berner Vorortsgemeinden versichert waren, ist nach der grossen Finanzkrise in Schieflage geraten. Der Stiftungsrat musste sich den Vorwurf gefallen lassen, zu spät reagiert zu haben. Die Zeche zahlten die Steuerzahlenden und die Angestellten. Inzwischen befindet sich die Kasse in Liquidation.

In jenem Stiftungsrat sass als Arbeitgebervertreter auch ein Gemeindepräsident, der zu 100 Prozent angestellt und damit bei der Pensionskasse versichert war. Er stand vor der Pensionierung und profitierte davon, dass die Sanierung der Vorsorgeeinrichtung nur zögerlich vonstattenging.

Auch hier wirkte also ein sogenannter Arbeitgebervertreter im Stiftungsrat, der faktisch Arbeitnehmer ist. In öffentlich-rechtlichen Kassen sollten nicht die Chefs die Interessen der Arbeitgeber vertreten, sondern die echten Arbeitgeber. Sprich: die Steuerzahlenden.

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