Gopfried Stutz über Sinn und Unsinn von Spitalzusatzversicherungen
Weshalb Spitalversicherungen kaum das Geld wert sind

Wird man am Morgen operiert und geht am Abend wieder nach Hause, dann bringt die Spitalversicherung nichts. Sie zahlt nur bei einer stationären Behandlung.
Publiziert: 07.09.2019 um 14:27 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2020 um 11:10 Uhr
Claude Chatelain

«Auch ich gehöre zu den 3,6 Millionen Prämienzahlern, die noch eine Spitalkostenzusatzversicherung haben.» Das schrieb mir eine Leserin aus Kerzers FR. Sie hatte meine Kolumne gelesen, in der ich mich darüber wunderte, dass sich 3,6 Millionen Schweizerinnen und Schweizer den Luxus einer Spitalkostenzusatzversicherung leisten.

Die Frau sah im Fernsehen einen Bericht über Spitalneubauten. Danach soll es künftig maximal Zwei-Zimmer-Abteile geben. Nun fragt sich die Frau, was eine Zusatzversicherung noch soll. «Wo sehen Sie hier noch einen Vorteil?», fragt sie mich.

Halbprivate Spitalzusatzversicherungen haben grundsätzlich zwei Vorteile: Zweibettzimmer statt Vierer-oder Sechserschläge sowie die freie Arztwahl. Wenn aber Mehrbettzimmer der Vergangenheit angehören, wie im erwähnten Fernsehbeitrag berichtet, so beschränkt sich der Vorteil einer halbprivaten Spitalkostenzusatzversicherung auf die freie Arztwahl. Wobei ich mich auch frage, ob die freie Arztwahl wirklich das Geld wert ist, das man für Spitalkostenzusatzversicherungen halbprivat hinblättern muss.

Noch ein anderer Trend machen Spitalversicherungen entbehrlich: Mehr und mehr Operationen dürfen nur noch ambulant durchgeführt werden. Wird man also am Morgen operiert und geht am Abend wieder nach Hause, dann bringt die Spitalversicherung nichts. Sie zahlt nur bei einer stationären Behandlung: Man muss also mindestens eine Nacht im Spital verbracht haben.

Folgendes muss man zudem wissen: Operiert ein Belegarzt einen halbprivat versicherten Patienten, erhält er ein deutlich höheres Honorar als bei einem Grundversicherten, obschon seine Leistung identisch ist. Auch das Spital erhält für Zusatzversicherte mehr Geld als für Grundversicherte, obschon Letztere mehr und mehr in Zweibettzimmern liegen und somit den genau gleichen Komfort geniessen.

Deshalb haben Ärzte, Spitäler und Krankenkassen ein monetär getriebenes Interesse, dass sich möglichst viele Versicherte den Luxus einer Spitalzusatzversicherung leisten.

Dennoch werde ich mich hüten, in diesen Spalten den Ratschlag zu erteilen, die Spitalkostenzusatzversicherung zu kündigen. Jeder muss selber wissen, wie viel ihm diese sogenannte freie Arztwahl wirklich wert ist. Ich treffe regelmässig auf Personen, die mir versichern, wie sie doch froh gewesen seien, eine halbprivate Spitalzusatzversicherung abgeschlossen zu haben, und die sich vom Arzt ihrer Wahl operieren liessen.

Sollte dennoch der eine oder andere Leser den Eindruck gewinnen, auf eine Spitalkostenzusatzversicherung könne getrost verzichtet werden, so sei daran erinnert, dass die meisten dieser Produkte nur auf Ende Jahr mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt werden können. Das wäre Ende September, in gut drei Wochen.

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