Meine Stammtischpropheten sind sich mehrheitlich einig: An der Börse wird es noch einmal so richtig scheppern. Es kommt noch einiges auf uns zu.
Es gibt aber auch Leute, die Entwarnung geben und in der Flut von Finanzkennziffern, Konjunkturdaten und statistischen Begebenheiten durchaus positive Signale ausmachen.
Einer von ihnen ist Burkhard Varnholt, CIO der Credit Suisse (Schweiz) AG. Für ihn sind viele der schlechten Nachrichten bereits eingepreist, wie er vor Wochenfrist in seinem wöchentlichen Standpunkt schreibt.
Da ich das Wort «einpreisen» zumindest in meinem nicht mehr ganz druckfrischen Duden nicht gefunden habe, sei es hier kurz erklärt: Der Preis eines börsengehandelten Wertpapiers spiegelt die Einschätzung der Marktteilnehmer. In Anbetracht dessen, dass diese all die inflationären und konjunkturellen Risiken ebenfalls sehen, sind diese Risiken im Kurs bereits berücksichtigt.
Nun ist es selbstverständlich durchaus möglich, dass all die Anleger und Investoren rund um den Globus die Lage völlig falsch einschätzen. Wie aber Burkhard Varnholt schreibt, wären die Märkte nicht überrascht, sollte sich die Konjunktur aufgrund der bekannten Faktoren weiter eintrüben. All das sei eben in den Kursen enthalten, sprich eingepreist.
Ein Zeichen dafür sieht Varnholt darin, dass der Weltaktienindex MSCI World tiefer und rascher einstürzte als der globale Einkaufsmanagerindex. Dieser Index gilt übrigens nicht nur für ihn als ein zuverlässiger Konjunkturindikator.
Häufig geht auch vergessen, dass Aktien- und Obligationenkurse nicht den Stand von heute, sondern den von morgen abbilden. Oder eben, wie die Akteure das Morgen einschätzen. «Was in der zweiten Jahreshälfte zählt, ist primär der Blick auf 2023», schreibt Varnholt. Wie wird sich also die Wirtschaft im kommenden Jahr entwickeln? Keine Frage: Krieg und Klima bleiben die grosse Unbekannten – sind aber eben eingepreist. Doch laut dem CIO der CS dürften eine Erholung im Dienstleistungssektor und eine Lockerung der Lieferkettenprobleme zumindest als stabilisierende Faktoren wirken.
Und da gibts ja noch die Börsenweisheit: «Kaufe bei schlechten und kaufe bei guten Nachrichten.» Laut Varnholt wird es nicht leicht sein, die schlechten Nachrichten des zurückliegenden Semesters noch zu toppen.
Schliesslich spricht auch die Börsenstatistik für den (Zweck?-)Optimismus des CS-Managers. Sie besagt, dass es in der zweiten Jahreshälfte meist besser wird. Vor allem dann, wenn das Jahr nicht schlecht, sondern rabenschwarz begonnen hat.
So, jetzt will auch der Gopfried Stutz noch seinen Senf dazugeben: Es gibt Faktoren, die für einen Crash sprechen. Und es gibt Faktoren, die für eine Erholung sprechen. Was eintrifft, wissen wir nicht. Wow, was für eine Erkenntnis.