«Geschichte» mit Claude Cueni
Mobile Neandertaler

Die Geschichte des Autofahrens ist geprägt von Fortschritt und mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer. Doch heute schaltet die Politik den Rückwärtsgang ein.
Publiziert: 07.03.2019 um 23:07 Uhr
Claude Cueni

Im alten Rom war es ähnlich wie heute mit dem Flugverkehr. Ein Beamter klagte: «Alle wollen Strassen, bloss nicht in ihrer Nachbarschaft.» Zuvor hatte sich schon Julius Cäsar mit dem Thema beschäftigt und sich Einbahnstrassen und Fahrverbote ausgedacht, aber die Umsetzung war schwieriger als die Eroberung Galliens.

Bridget Driscoll wäre hingegen lieber nicht berühmt geworden. Als sie am 17. August 1896 in London auf dem Weg zu einer Tanzveranstaltung war, traf sie auf Roger. Genauer gesagt: auf ein seltsames Ding, das mit einer Geschwindigkeit von sechs Stundenkilometern auf sie zuschlingerte. Der französische Ingenieur Emilie Benz hatte seinen Roger-Benz zusammengeschraubt und mit vier Rädern versehen. Bridget erlitt eine tödliche Kopfverletzung und ging als erstes Opfer eines Autounfalls in die Geschichte ein.

Ampeln, Limits, Airbags

Das war neu. Denn bisher brachen sich die Londoner auf dem holprigen und von Pferden vollgepissten Pflaster eher die Knochen, wenn sie sich zwischen Tierkadavern und ineinander verkeilten Kutschen ihren Weg bahnten.

Mit der zunehmenden Motorisierung verschwanden zwar Tonnen von Pferdeäpfeln aus dem Strassenbild, aber tödliche Unfälle häuften sich und machten eine Strassenverkehrsordnung notwendig.

1868 wurde in London die erste gasbetriebene Verkehrsampel installiert, sie explodierte bereits nach wenigen Wochen. Erst mit der Elektrifizierung wagte man einen neuen Anlauf. 1920 leuchteten in New York dreifarbige Ampeln für Fahrzeuge und ab 1933 in Kopenhagen die ersten Ampeln für Fussgänger. Es folgten Schilder, Zebrastreifen, Tempolimits, Sicherheitsgurt und vor rund 50 Jahren der Airbag.

Politik gefährdet die Sicherheit

Städtebauliche Massnahmen, eine Verbesserung der Fahrzeugtechnik und verkehrspädagogische Pflichtschulungen wurden laufend verbessert.

Doch ausgerechnet die Politik gefährdet heute die Sicherheit auf den Strassen und setzt sich über die Warnungen der Experten hinweg. Neulenker, die auf Automaten gelernt haben, dürfen seit 1. Februar ohne Zusatzprüfung Geschaltete fahren. Rechts vorbeifahren und rechts überholen auf Autobahnen soll auch noch erlaubt werden. Freude herrscht unter den mobilen Neandertalern.

Claude Cueni (63) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Kürzlich ist sein neuer Roman «Warten auf Hergé» erschienen. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.

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