Der mächtigste Mann der Welt ist ein moralischer Winzling – darf man sagen: ein ethisch verkommenes Subjekt? Er verbündet sich mit dem Kriminellen im Kreml, weil er an die wertvollen Rohstoffe einer Nation gelangen will, die gegen diesen Kriminellen um Sein oder Nichtsein kämpft.
Damit das nicht im Ungefähren bleibt, sei auf eine deutsche Fernsehdokumentation hingewiesen, die junge Ukrainer mit schwersten Kriegsverletzungen zu Wort kommen lässt, manche ohne Beine oder Arme, aufs Schwerste fürs ganze Leben gezeichnet: junge Männer, die den Willen zum Freiheitskampf trotz ihres schrecklichen Schicksals vor laufender Kamera beschwören.
Was ist ein Trump gegen solche Menschen?
Und doch werden historische Momente in der Regel nicht von Helden bestimmt, sondern von Herrschern, die ihre Beherrschung verlieren. Sie wieder zur Besinnung zu bringen, das ist dann die Sache von Heroen. Vorausgesetzt, es ist gerade ein historischer Held zur Stelle, wie seit drei Jahren in der Ukraine.
Wir kennen ihn alle.
Wolodimir Selenski kann sein Werk in diesem Weltkonflikt allerdings nicht allein vollbringen, denn im heldenhaften Ringen mit dem Dealer in Washington und dem Diktator in Moskau braucht er jede denkbare Unterstützung.
Wer eilt dem Churchill in Kiew zu Hilfe?
Ist die Schweiz in diesem Zusammenhang zu nennen? Ist die Regierung der Neutralitätsnation zu nennen? Ist von den sieben Bundesräten in diesem Augenblick der Weltgeschichte historisches Bewusstsein zu erwarten? Oder statt Weitsicht und Weltsicht doch wieder nur Querelen und Quengelei mit der Europäischen Union?
Denn das braucht es an diesem Wendepunkt der Weltgeschichte: die Weltsicht der Schweizer Regierung. Und die Einsicht, dass es in dieser Lage für die Eidgenossenschaft kein neutral geborgenes Plätzchen abseits des bösen Geschehens gibt.
Die Schweiz ist Teil der Wertewelt, in der gerade umgepflügt wird, was seit Jahrzehnten als fruchtbare Friedenspolitik galt, auch «regelbasierte Ordnung» genannt. In diesem Schauspiel gibt es keine Zuschauertribüne.
Was wäre jetzt die historisch angemessene Position der ehrwürdig-erfahrenen Demokratie im Herzen Europas? Ein entschlossenes Bekenntnis zu ihrem Kontinent. Im Bewusstsein dessen, dass der Präsident der USA alles Kleine verachtet: Die Ukraine ist für ihn nur ein Deal, mehr nicht. Ist die Schweiz für Trump mehr als das?
Für Donald Trump ist unser Land, was alle andern Länder der Europäischen Union für ihn sind: Handelsware – zu kaufen, zu verkaufen, zu verachten.
Die schweizerischen Europafeinde, die Brüssel seit Jahren als Diktatur verunglimpfen und den Rahmenvertrag als Unterwerfung schmähen, unterwerfen sich in diesem geschichtlich entscheidenden Augenblick einem Dealer und einem Diktator.
Stehen die Schweizer Hetzer gegen das Europa von Recht und demokratischer Ordnung überhaupt noch auf Schweizer Boden?
Man soll in Kriegszeiten keine unziemlichen Vergleiche anstellen, damit man nicht Gefahr läuft, Allerschrecklichstes zu verharmlosen. Doch ein differenzierter Blick in die noch nicht vergangene Geschichte Europas und der Welt hilft, die Ereignisse zu verstehen, sie einzuordnen – und sich zu wehren.
Die Kraft zu diesem Widerstand muss auch die Schweiz aufbringen. Solidarisch mit ihren europäischen Nachbarn.
Es ist die Aufgabe der Landesregierung, in dieser Lage politische Zeichen zu setzen, ohne jede Schlaumeierei, wie man sie in Bern so liebt und pflegt – und die ja gerade gestern noch die Berechtigung des Alltäglichen hatte. Mit dem Alltäglichen von Tag zu Tag ist es vorbei.
Die Zeit ist eine andere.