Wo wir uns gerade Weihnachten widmen, wäre Wohnen wohl das Wort der Woche: Josef und Maria suchten eine Herberge, fanden sie in einem Stall – und Jesus konnte in seiner Krippe die Könige aus dem Morgenland empfangen, arm, aber geborgen.
Die Weihnachtsgeschichte liefert eine wunderbare Kulisse für den Zürcher Wohnskandal dieser Tage, unter dem Stichwort «Sugus-Häuser» ist er mittlerweile der ganzen Schweiz bekannt: eine Massenkündigung langjähriger Mieter, um deren Wohnungen zu sanieren, also zu verteuern.
Und das kurz vor Weihnachten!
Sogar Hauseigentümer-Präsident Gregor Rutz, Nationalrat der SVP, zeigt sich empört: «Dieses Vorgehen spottet jeder Beschreibung.» Der Populisten-Politiker weiss, womit die Grenzen des Anstands überschritten sind: durch Vertreibung der Menschen aus ihrem Heim in der heiligsten Zeit des Jahres.
So werden die wahren Dimensionen eines Tatbestandes deutlich, der gewöhnlich unter der Rubrik «Wohnungskündigung» abgehandelt wird. Es geht aber um mehr – um viel mehr. Das biblische Krippenspiel führt es vor Augen:
Es geht um Herberge. Es geht um Heim. Es geht sogar um Heimat.
All das schwingt im Wort Wohnen mit, von der WG bis zum Eigenheim: Der Mensch sucht Zuflucht, ein Dach über dem Kopf, Geborgenheit vor der Unwirtlichkeit der Welt. Und hat er das endlich, richtet er sich in den gefundenen vier Wänden ein. Er macht es sich schön, stellt Möbel hinein, ganz nach persönlichem Geschmack, verwirklicht seine eigene Ästhetik. Der Mensch schafft sich sein Zuhause.
Zum Zuhause zählen die Mitmenschen in der Nachbarschaft, mit denen er Bekanntschaft, Freundschaft, Gemeinschaft pflegt – seinen Platz in der Gesellschaft.
In der Tat, Wohnen ist von zentraler Bedeutung für das Gemeinwesen: Wer in den «Sugus-Häusern» glücklich wohnt, macht sein Leben in Zürich ein bisschen glücklicher; die Kündigung macht ihn und die Stadt unglücklicher.
So wichtig ist Wohnen – existenziell für den Einzelnen wie für die ganze Gesellschaft.
Die ökonomische – die kapitalistische – Wirklichkeit bringt es mit sich, dass Besitzer von Wohnimmobilien Macht über Wohl und Wehe von anderen ausüben können – von Menschen, die durch ihre Wohnung tief im Gesellschaftsgefüge verwurzelt sind. Immobilien-Mächtige rauben diese gesellschaftliche Heimat, die sich die Mieter erwohnt haben. Mit Mietpreiserhöhungen und Kündigungen stören und zerstören sie Netzwerke der Geborgenheit.
Wer eine Wohnung hat, die den eigenen finanziellen Verhältnissen entspricht, darf sich glücklich schätzen. Glücklich? Glück, das höchste der Gefühle, ist hier durchaus angebracht.
Die Herberge der Heiligen Familie liefert das bezaubernde Bild dazu.
Frohe Weihnachten.