Franziskus

Publiziert: 27.04.2025 um 01:00 Uhr
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Aktualisiert: 15:08 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Nun ist er tot – und alle sagten alles: die Kleriker, die Religionswissenschaftler, die Berufenen und die Unberufenen, kurzum die ganze Welt. Weiss man jetzt, wer dieser Papst war? Man muss es nicht wissen. Man muss sich nur erinnern.

Wie er, im Rollstuhl sitzend, eine Frau in der Menge von Gläubigen entdeckt, die einen gelben Blumenstrauss hält; er zeigt auf sie; er strahlt; er spricht sie an; sie überreicht ihm die Blumen; er trägt den leuchtenden Strauss im Arm – für die gesamte Dauer seiner Begegnung mit den begeisterten Menschen.

Er begeistert. Er lässt sich begeistern.

Er entdeckt in der Menge, die ihm huldigt, ein geistig behindertes Kind; er bahnt sich einen Weg durch die Menschen; er schenkt dem Kind sein bezauberndes Lächeln; er streichelt ihm zart über den Kopf.

Er berührt. Er lässt sich rühren.

Die «Süddeutsche Zeitung» setzte über eine Seite zum Tod von Franziskus den Titel: «Siehe, ein Mensch». Kann man mehr sagen? Man könnte sagen: nur ein Mensch. Auch das passt. Der argentinische Priester Jorge Mario Bergoglio wollte nie mehr sein als ein Mensch – also nie mehr als das Höchste, das Edelste, aber auch das Anspruchsvollste und Schwierigste, das die christliche Botschaft kennt. Im Buch der Bücher liest es sich so:

«Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn.»

Der wohl revolutionärste Satz der Menschheitsgeschichte: der Mensch als Ebenbild Gottes – als Gleicher und Freier. Und zwar der einzelne Mensch – also ein jeder für sich. Und in sich.

Die Ermächtigung des Ich!

Und damit die Ermächtigung des Menschen zur Freiheit – und zur Verantwortung für all sein Tun. Denn der Ich-Befreiung entspricht der Satz: «Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, habt ihr mir getan.»

Das Ich verpflichtet zur Brüderlichkeit!

«Liberté, Égalité, Fraternité»: die Versprechen der Französischen Revolution von 1789 entspringen dem christlichen Glauben. Was das mit Franziskus zu tun hat? Es sprengt die Grenzen der Struktur, die sich das Christentum gegeben hat – der Kirche. Es sprengt die Macht, die ein Papst verkörpert – eine Macht zum Heil, oft auch zum Unheil der christlichen Welt.

Eine Macht, die Franziskus durchschaute. Bis zuletzt:

Der Priester Jorge Mario Bergoglio will nicht im Vatikan beerdigt werden, sondern ausserhalb dieser Mauern der Macht, im Seitenflügel der Basilika Santa Maria Maggiore – bei den Menschen Roms. Als Grabinschrift wünscht er sich nur «Franziskus».

Damit erfüllt er, was er suchte: die Nähe zu den Menschen. Und fand so die Nähe Gottes. Ein wahrhaft grosser Papst ist tot – sein Lächeln und sein Weinen, seine Freude und seine Sorge.

Franziskus – das Gesicht dieser Welt.

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