Das überwältigende Nein zur Unternehmenssteuerreform III war Ausdruck des Misstrauens – vor allem gegenüber Wortführern der Wirtschaft. Wie liesse sich das verlorene Vertrauen zurückgewinnen? Heinz Karrer, Präsident von Economiesuisse, gab Bürgern in einem BLICK-Gespräch den Rat: «Sprechen Sie Manager auf der Strasse an!»
So einfach ist das. Ist es so einfach?
Es wäre in der Tat einfach, ginge es um Kaminfeger, nicht um Manager. Kaminfeger erkennt man auf der Strasse sofort: am Zylinder auf dem Kopf und an der Leiter über der Schulter, auch stecken sie im schwarzen Arbeitskleid – und jedes Kind weiss, dass eine Begegnung mit dem Kaminfeger Glück bedeutet.
Aber Manager? Woran erkennt man die?
In der Regel sind sie grau gekleidet, allenfalls blaugrau; weder Hut noch Arbeitsgerät kennzeichnen sie als Manager; eine Mappe haben sie meist auch nicht dabei, lediglich das Smartphone wie jedermann; nicht einmal Spuren von Arbeit kennzeichnen den Manager als Manager, wie sie beim Kaminfeger durchaus zu beobachten sind, nämlich Russ an den Händen, manchmal sogar im Gesicht. Und sollte man einen Manager auf der Strasse ausnahmsweise zu erkennen glauben – würde sich dann das Gefühl von Glück einstellen?
Heinz Karrer, Präsident der glücklosen Economiesuisse, weiss es natürlich besser, war er doch selbst einst CEO – so lautet das Kürzel für Topmanager – des Energiekonzerns Axpo. Den managte er sorgenfrei, bis grosse Probleme auf die Branche zukamen, was ihn zum Wechsel in weniger windige Wirtschaftswelten veranlasste, eben in den Vorstand eines Wirtschaftsverbandes.
Wie nur erkennt man einen wie ihn auf der Strasse?
Mit seinem leider schwer zu verwirklichenden Ratschlag, Manager auf der Strasse anzusprechen, meint Manager Karrer natürlich mehr als ein unverbindliches Gespräch zwischen Bürger und Wirtschaftsführer – als die sich Manager so gerne sehen. Er meint den Manager als Autorität in Wirtschaftsfragen, der den Bürger, zum Beispiel, für die USR III hätte gewinnen können.
Doch sind Manager überhaupt Autoritäten? Wie Kaminfeger beispielsweise Autoritäten sind für saubere Kamine?
Was ist das eigentlich: Manager?
Ein schwieriger Berufsstand auf jeden Fall. Womöglich am treffendsten zu beschreiben dadurch, was ein Manager nicht ist: Erstens ist er nicht der Besitzer des Unternehmens, das er managt; zweitens ist er auch nicht im klassischen Sinne Arbeitnehmer, denn er entscheidet über die Geschicke des Unternehmens an Stelle des Besitzers oder der besitzenden Aktionäre.
Karl Marx würde sagen: Der Manager ist weder Besitzer der Produktionsmittel, noch verkauft er seine Arbeitskraft wie ein einfacher Arbeitnehmer.
Demnach gehört der Manager weder zur besitzenden noch zur besitzlosen Klasse. Er ist, immer noch laut Marx, ein Kleinbürger, dem Klassenbewusstsein fehlt.
Der Kaminfeger hingegen ist entweder Arbeitnehmer, oder er ist sein eigener Meister – auch das ein augenfälliger Unterschied zum Manager: Der Kaminfeger weiss, wohin er gehört.
Genau das ist das Kreuz des Managers. Er arbeitet für viel Geld, er entscheidet über viel Geld, sein Ziel ist immer Geld: Gewinn für das Unternehmen, Gewinn für die Aktionäre, Gewinn für ihn.
Macht das Unternehmen Verluste, stehen Besitzer oder Aktionäre dafür gerade. Der Manager wird nicht zur Kasse gebeten, kassiert sogar oft trotzdem seine Boni.
Der Kaminfeger erhält Trinkgeld, weil man ihn sympathisch findet. Der Manager erhält Boni, weshalb man ihn unsympathisch findet.
So könnte die Definition des schwer zu definierenden und deshalb auf der Strasse kaum zu identifizierenden Managers lauten. Ausgerechnet so jemanden aber sollen die Bürger ansprechen, um ihr Misstrauen zu überwinden?
Fürwahr, es ist ein abgehobener, einsamer Beruf, der hier zu beschreiben versucht wird: Es ist ein Beruf, dem sich Männer – immer noch vor allem Männer – mit Leib und Seele verschreiben müssen, um zu bestehen. Wer nicht besteht, dem bleiben nur die Boni. Und beim Absturz der goldene Fallschirm.
Der Manager ist das totale Gegenteil des Kaminfegers.
Vielleicht war das die Bitte des stets gutmeinenden Heinz Karrer: Manager auf der Strasse anzusprechen, um Mitgefühl auszudrücken für ihren seltsamen Beruf, der ihnen so wenig Raum lässt fürs Nachdenken über die Gesellschaft – übers wirkliche Leben.
Wenn Manager denn überhaupt ein Beruf sein sollte.
Darum sprechen Sie auf der Strasse doch besser einen Kaminfeger an.