Frank A. Meyer
Wie alles kam

Publiziert: 26.06.2016 um 12:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 15:03 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Marine Le Pen, Chefin des rechtspopulistischen Front National, fordert ein EU-Referendum für Frankreich. Rechtspopulist Geert Wilders verlangt das Gleiche für Holland.

Die äussere Rechte macht mobil. Europa soll abgewrackt werden, ein Nationalstaat nach dem anderen austreten. Die supranationale Europäische Union ist für nationalistische Parteien Feindesland.

Nigel Farage, Führer der britischen Ukip-Populisten, hat mit seiner Kampagne gegen den Feind in Brüssel die Emotionen hemmungslos hochgepeitscht – bis der Mord an der Labour-Abgeordneten und EU-Befürworterin Jo Cox durch einen hasserfüllten Brexit-Bürger geschah.

Hass auf Europa ist das Abschiedsgeschenk der Briten. Überall in Europa wird es freudig angenommen: von den Le Pens, den Wilders und deren Volksgenossen in andern Nationen. Rechtspopulisten haben Hochkonjunktur. Sie reduzieren die Politik auf die Frage Freund oder Feind.

Wie konnte es so weit kommen?

Seit Ende des Kalten Krieges fegte der Sturm der Globalisierung über die Welt. Die Finanzwirtschaft besetzte rechtsfreie Räume. Die Digitalwirtschaft eroberte virtuelle Räume.

Seither herrscht die Anarchie der Macht. Und London ist ihre Metropole, bewohnbar nur noch für die Gewinner der Globalisierung – unerschwinglich für ganz normale Bürger.

Britanniens kostspielige Kapitale ist ein Beispiel für all die anderen Städte und Regionen, die sich zu Resorts reicher und reichster Regenten des globalen Kapitalismus auswuchsen – und auswachsen.

Nicht mehr zu Hause sein im eigenen Land, meilenweit entfernt sein von Teilhabe und Mitbestimmung – Verlierer sein! Das ist das Gefühl, das die Globalisierung seit einer Generation Abermillionen Menschen in Europa vermittelt.

Welcher Bürger fühlt sich da nicht überfordert? Welcher Politiker? Welcher Journalist?

Die Europäische Union versuchte sich als ordnende Hand, um nach der grossen Krise 2008/2009 das Desaster der Finanz-Feldherren durch Regeln ins Recht zu fassen. Die rechtsfreien Räume sollten verschwinden – Ordnung statt Anarchie und Amoral.

Doch im Spätsommer 2015 öffnete die EU-Grossmacht Deutschland ihre Grenzen für mehr als eine Million Migranten aus dem Islambogen von Eritrea über Syrien bis Afghanistan; die deutsche Bundeskanzlerin inszenierte sich über Selfies weltweit als Migranten-Mutter.

Die bewusste Aufgabe der Kontrolle über Deutschlands Grenze wurde wahrgenommen als Kontrollverlust über die EU-Grenzen. Das deutsche Migranten-Chaos war plötzlich ein europäisches. Im französischen Calais lagerten Zehntausende, um nach Grossbritannien überzusetzen. Und sie warteten nicht geduldig. Wütend reklamierten sie ihren Anspruch auf britische Willkommenskultur. Sie belagerten die Insel.

Eine neue Völkerwanderung schien losgebrochen. Ihr Ziel: Europa.

Den Globalisierungsverlierern machte das Angst. Der scheinbar unaufhaltsame Zustrom von Migranten aus einer demokratiefeindlichen Religionskultur bedrohte ihren ohnehin prekären Lebensstandard. Doch Politiker, Publizisten und Pastoren verklärten die Einwanderer ungerührt zu Flüchtlingen und Schutzsuchenden – und damit die Widerspenstigen unter den eigenen Bürgern zu Fremdenfeinden und Rassisten.

Die Gefahr der Globalisierung hatte plötzlich ein Gesicht: das befremdend fremde Gesicht der Migranten auf den Strassen, das gesichtslose Gesicht verschleierter Geschöpfe in den Geschäften.

Nein, diese Fremden sind nicht schuld an der Misere Europas. Sie sind auch nicht schuld am anmassenden Anspruch ihrer Religion. Sie werden in Zukunft nicht einmal schuld sein, dass ihre niemals reformierte Wüstenreligion sie hindert, teilzuhaben am Erfolg der modernen Zivilisation.

Der Islam ist nicht nur die Geissel der Welt. Er ist auch die Geissel seiner Gläubigen.

Die Migranten wurden zur Manövriermasse von Nigel Farage und Boris Johnson. Wäre es ohne Flüchtlinge auch zum britischen EU-Austritt gekommen?

Wenn sich Politik und Publizistik ernsthaft um die Probleme der Bürgerinnen und Bürger mit der Zuwanderung gekümmert hätten, wäre das europäische Debakel zu vermeiden gewesen. Doch das Gegenteil ist Wirklichkeit: Wer den guten Einwanderern mit Skepsis begegnet, wer ihr autoritäres islamisches Selbstverständnis, gar ihre Diskriminierung der Frau zu kritisieren wagt, wird als schlechter Mensch gebrandmarkt.

Die Migranten aus dem kulturellen Mittelalter sollen Europa erneuern. Das ist der Ruf, der schrill in den Ohren braver Bürger klingt. Er wird vor allem von Linken und Grünen skandiert. Und am lautesten in Deutschland. Ein «neues Deutschland» soll entstehen, das alte, das demokratisch solide des Grundgesetzes umgepflügt werden. Die Ziele der «Willkommenskultur»: mehr Religion, mehr Multikultur, weniger westliche Werte. Fastenbrechen als nationaler Feiertag – Bundespräsident Joachim Gauck hat mit seiner Teilnahme bereits ein Zeichen gesetzt.

Angela Merkels Sommermärchen 2015 ist zum europäischen Albtraum geworden.

Für Britanniens Populistenführer Nigel Farage war es ein gefundenes Fressen: Sein Kampf gegen die pervertierte politische Korrektheit war siegreich. Ein Sieg über Europa. Ein Sieg über Merkel. Die deutsche Tageszeitung «Die Welt» titelte gestern auf Seite eins: «Die Briten haben auch Merkel abgewählt.»

Doch tatsächlich geht es Farage, Le Pen und Wilders mitsamt ihren Komplizen auf der äusseren Rechten um mehr, um viel mehr: um die Zerstörung der Festung Europa als Hort von Freiheit und Demokratie.

Mit der Befreiung Europas 1945 schien der Faschismus für immer geschlagen. Meldet er sich zurück?

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