Ja, Guy Parmelin ist Bundesrat. Und sonst? Die Frage ist nicht böse gemeint. Nur hilflos. Was ist geschehen? Ist überhaupt etwas geschehen?
Nichts Bemerkenswertes, wird doch der Waadtländer Weinbauer erst bemerkt, seit er mit magistralen Weihen gesegnet ist. Sogar die SVP, seine eigene Partei, hat ihn nur mit der Absicht bemerkt, dass das Parlament ihn unter den drei Kandidaten nicht bemerke, weil ja allein der zur Wahl auserkorene Aeschi bemerkt werden sollte.
Und genau dies ist vielleicht das Bemerkenswerte: Parmelin wurde trotzdem gewählt. Als dritter Romand. Gegen alle Ausgewogenheiten, die der schweizerischen Regierungsformel sonst zu eigen sind.
Und das ist nicht alles: Neben den drei aus der Westschweiz sitzen noch zwei Berner im Bundesrat. Das ergibt fünf.
Wieso fünf?
Fünf Bundesräte aus der burgundischen Schweiz.
Fünf von sieben. Eine solide Mehrheit. Ist das von Bedeutung? Von historischem Sinn?
Freilich, die burgundische Eidgenossenschaft ist ferne Geschichte. Ein Witz also, solche verwehten Zeiten heraufzubeschwören – als für die Gegenwart von Belang.
Dennoch, dennoch, dennoch: Steckt da womöglich mehr dahinter als ein Beschluss der Parteiführer Darbellay (CVP) und Levrat (SPS), den Winzer zu wählen? Guy Parmelin ist ja nur der letzte der fünf Burgunder. Es muss also schon länger etwas im Tun gewesen sein.
Wars Hegels Weltgeist? Der pflegt nach Erkenntnis des deutschen Philosophen die historische Wirklichkeit zu bestimmen. Warum sollte er ausgerechnet bei Guy Parmelin darauf verzichten – weil die SVP weder Welt mag noch Geist? Davon lässt sich einer nicht abschrecken, der schon in Napoleon gefahren ist. Den «Weltgeist zu Pferde», wie Hegel den Imperator genannt haben soll.
Doch Hegel geht es nicht allein um die Figuren auf dem Schachbrett der Geschichte. Nein, vielmehr bestimmen die Figuren die Weltläufte.
Wie verhält es sich in dieser Hinsicht mit der burgundisch bestimmten Bundesratsmehrheit?
Vielleicht so: Eine lebensfreundliche Mentalität waltet bestimmend für die nächsten Jahre in der Landesregierung, mit Gespür für die Menschen, für die Mühsal dieser Zeit.
Die burgundisch grundierten Kantone und Regionen prägt eine politische Kultur, die auch dem Gegner guten Willen konzediert – in ihm nicht den Feind sieht.
Das Walten des Weltgeistes könnte der Schweiz diesen hohen Wert bewahren helfen: durch fünf Bundesräte, die eine politische Qualität verkörpern, über die sie sich gar keine Gedanken machen, sind sie doch einfach beseelt davon – von der Kultur des Konsenses.
Das hiesse allerdings, ganz im Sinne hegelscher Dialektik, dass es eine Schweiz gibt, die sich von solcher Gutwilligkeit gravierend unterscheidet.
Eine Schweiz der Böswilligkeit?
Weltgeist bewahre!
Die Schweiz östlich und südlich burgundischer Gemarkungen ist nicht verantwortlich zu machen für die destruktiven Geister, die da hausen und ihr Unwesen treiben nach dem Prinzip: Teile und herrsche.
Es sind Bürschchen, die im Auftrag ihres Ziehvaters zerstören sollen, was das Land zusammenhält: die freundeidgenössisch verwaltete Vielfalt, die auf Respekt beruht, sogar auf Zuneigung – über alle ideologischen Grenzen hinweg.
Am Tag der Bundesversammlung führte eines der ausersehenen Bürschchen vor, wie man sich eine Schweiz der Respektlosigkeit und der Abneigung vorzustellen hätte. Der SVP-Nationalrat tippte, ohne aufzuschauen, in seinen Laptop, während die abtretende Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf gewürdigt wurde: eine Demonstration von Respektlosigkeit und Abneigung – stillos, niveaulos, kulturlos.
Schnösel-Schweiz.
Hegels Weltgeist hat uns, fürs Erste, davor bewahrt. Mit Guy Parmelin.
Immerhin.