Gottfried Locher, oberster Schweizer Protestant, und Bosniens Grossmufti Husein Kavazovic haben in Sarajevo eine gemeinsame Erklärung zum Verhalten von Muslimen in der Schweiz erarbeitet – «in mehrstündigen, teilweise zähen Verhandlungen», wie die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) zu berichten weiss. Vereinbart wurde, dass sich bosnische und albanische Muslime in der Schweiz an Sitten und Gebräuche des Landes zu halten und die Religionsfreiheit zu respektieren haben.
Der kämpferische Protestant Locher, der auch einem Burkaverbot nicht abgeneigt wäre, habe damit, so die NZZ weiter, «in Sarajevo einen diplomatischen Erfolg erzielt».
Dürfen wir Hosianna rufen? Oder Elhamdülillah?
Wohl eher nicht. Denn weshalb wird überhaupt mit einer Religionsgemeinschaft darüber verhandelt, ob sich ihre Gläubigen in der Schweiz schweizerischen Gepflogenheiten fügen sollen, vor allem schweizerischen Gesetzen?
Das Fragwürdige dieses Szenarios wird augenfällig, wenn man es am Beispiel anderer Migranten durchspielt: Verhandlungen in Neu-Delhi zu der Frage, ob indische Schweiz-Einwanderer, Buddhisten wie Hindus, schweizerischen Gesetzen folgen sollen? Verhandlungen in Peking darüber, ob Chinesen in der Schweiz schweizerisches Recht zu respektieren haben? Oder Verhandlungen in Berlin, ob auch für deutsche Einwanderer gilt, was der Schweizer Gesetzgeber für gültig erklärt?
Was im Falle Indiens, Chinas oder Deutschlands grotesk, absurd, bizarr erscheint, wird im Falle muslimischer
Migranten längst als selbstverständlich hingenommen. Darum das anhaltende Theater um den verweigerten Händedruck gegenüber einer weiblichen Lehrperson, darum der immer wieder neue Streit um das väterliche Verbot von Schulreisen oder Schwimmunterricht für muslimische Mädchen oder um Kopftücher in der Schule.
Gläubigen des Islam wird eine Sonderrolle zugestanden, wie sie bei keiner anderen Migrationsgemeinde denkbar wäre.
Doch nicht einmal die Sarajevo-Vereinbarung der Religions-Repräsentanten hat ergeben, was eigentlich gar nicht Gegenstand von Verhandlungen sein dürfte: die muslimische Akzeptanz unserer verfassungsgarantierten Werte.
In der Frauenfrage lehnte der Gross-mufti den Begriff «Gleichberechtigung» ab. Stattdessen ist im Text lediglich von der «Gleichheit fundamentaler Rechte von Mann und Frau» die Rede, was nichts anderes bedeutet als die rechtliche Ungleichheit von Mann und Frau.
Der Islam kennt keine Gleichberechtigung. Seine Glaubenslehrer schwadronieren vor westlichem Publikum gerne von «Geschlechtergerechtigkeit». Auf gut Deutsch: Die Diskriminierung der Frau wird ihrem Geschlecht gerecht.
«Geschlechtergerechtigkeit» ist das Gegenteil von Gleichberechtigung.
In der Schweiz aber gilt Gleichberechtigung. Ohne Ausnahme. Denn Gleichberechtigung ist Recht und Gesetz.
Worüber wurde in Sarajevo verhandelt? Über die schweizerische Bundesverfassung?
Das sonderbare Dokument des Pfarrers und des Muftis relativiert für muslimische Migranten die schweizerische Gesetzgebung. Ein fatales Resultat – gut gemeint, schlecht gemacht.
Die Gleichberechtigung der Frau ist der Schlussstein im Rechtsgebäude der offenen Gesellschaft, also unserer westlichen
Zivilisation. Der Schlussstein hält das Gebäude zusammen. Ohne Gleichheit der Frau keine Gleichheit in der Gesellschaft. Und ohne Gleichheit keine Freiheit. Denn Gleichheit bringt Freiheit hervor. Die beiden Werte gelten universell. Sie sind unteilbar.
Grundstein im Dogmengebäude des Islam dagegen ist die Unterdrückung der Frau. Die Gleichberechtigung der Frau brächte die Männerherrschaft und damit die ganze Unterdrückungsreligion zum Einsturz. Darum konnte Husein Kavasovic in diesem Punkt nicht nachgeben und musste eine Formel finden, die den inakzeptablen Tatbestand der Frauendiskriminierung mit einem verbalen Kunstgriff verschleiert.
Doch in der Schweiz gilt, was gilt.
Noch.