Frank A. Meyer über die Fifa
Joseph und Josef

Publiziert: 31.05.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:24 Uhr

Was haben Joseph Blatter und Josef Ackermann gemeinsam? Nicht nur den Vornamen.

Beide sind auch angenehme Menschen, unkompliziert im Umgang, direkt, neugierig, offen. Sepp, der Arbeitersohn aus Visp, umarmt gern, lässt seine Herzlichkeit sprühen, ist rasch begeistert.

Joe, der Arzt-sohn aus Walenstadt, hält auf bürgerliche Distanz, ist aber ohne jede Herablassung, stets aufnahmebereit für neue Ideen und andere Meinungen.

Auf Joseph Blatter kann zählen, wer ihn ganz privat zum Freund hat; dasselbe gilt für Josef Ackermann.

Den Sepp wie den Joe hätte man liebend gerne zum Paten der eigenen Kinder.

Beide sind bedeutende Schweizer. Sie haben die Welt zu ihrer Bühne gemacht. Joseph Blatter seit 17 Jahren als allmächtiger Chef der Fifa – als deren Allmächtiger! Josef Ackermann zehn Jahre lang als allmächtiger Chef der Deutschen Bank – als deren Allmächtiger!

Ja, so darf, so muss man das sehen: Sepp und Joe sind die weltläufigsten Schweizer der vergangenen fünfzig Jahre.

Und beide haben sie die Welt aus eigener Kraft erobert: aus der Provinz ins Globale. Vor ihnen öffneten sich die Pforten von Potentaten und Päpsten des Weltgeschehens. Sie wurden empfangen von Gleich zu Gleich – bis man sie sogar hofierte: als noch gleicher als gleich.

Welcher Wichtige aus Politik und Wirtschaft hat sich nicht bereitwillig ablichten lassen an der Seite eines der beiden Schweizer? Im Vatikan, im Weissen Haus, in den Lounges der Luxusklasse!

Gerne sehen sich Macht- und Geldprominente als «Masters of the Universe». Blatter und Ackermann wurden es wirklich: «Herren des Universums». Ihres eigenen Universums: der global operierenden Institutionen Fifa und Deutsche Bank.

Da waren sie, da sind sie – Paten!

Joseph Blatter scheut das Bild nicht, verwendet er doch auch schon mal für sich selbst den Begriff «Godfather», bezeichnet er doch die Fifa gerne als Familie, fühlt er sich doch so richtig wohl als Patriarch, der das Geschehen bestimmt: mit gewinnendem Lächeln und leichter Hand, selber stets unbeschadet, wenn das familiäre Gewusel fatale Folgen zeitigt.

Die Kultur der Fifa: Das ist Joseph Blatter.

Nicht anders Josef Ackermann, der sich rühmt, dass die Bundeskanzlerin ihm einen Geburtstagsempfang ausrichtete, dass eine kuwai­tische Politikerin ihm voller Bewunderung offenbarte: «Ich denke, dass die deutsche Regierung tut, was Sie sagen.»

Weshalb hätte Joe solchen Schmeicheleien widerstehen sollen?

Die Kultur der Deutschen Bank: Das ist, bis heute, Josef Ackermann.

Sepps Fifa ist ein Sumpf von Korruption – von gelenkten Wahlen und Abstimmungen, von gigan­tischen Geldflüssen, von obskuren WM-Ver­gaben, von der Verwandlung eines Sportverbandes zum Skandalverband.

Joes Deutsche Bank ist ein Sumpf von Gier – von Finanzmanipula­tionen, von kriminellen Handlungen, von globalem Grössenwahn, von mehr als 6000 Strafverfahren, von der Verwandlung einer Weltbank zur Skandalbank.

Was ist geschehen?

Die Schweizer Paten waren der Grösse ihrer Institutionen nicht gewachsen. Grenzenlos sollte ihr Weltgeschäft sein, grenzenlos ihre Macht.

Was verstellte ihnen den Blick dafür, dass alles, was auf Dauer gedacht ist, seine Grenzen finden muss, weil es sonst Schaden anrichtet an der Gesellschaft?

War es womöglich die republikanische Kultur der Schweiz, die ja den Umgang mit Grösse nicht kennt, ihn also auch nicht lehrt und übt? Haben die Weltreiche Fifa und Deutsche Bank den Joseph und den Josef ganz einfach überfordert?

Andererseits hätte doch gerade die helvetische Kultur des Misstrauens gegen Grösse und Grenzüberschreitung den beiden globalen Gebietern aus den Kantonen Wallis und St. Gallen genetisch eingeimpft sein müssen.

Leider haben die persönlich so sympathischen Namensvettern auch ein Letztes gemeinsam: Verantwortung ist für sie ein ganz und gar leeres Wort.

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