Frank A. Meyer
Stehen wir für die Juden?

Publiziert: 15.04.2018 um 12:17 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:40 Uhr

Seit 70 Jahren gibt es Israel. Seit drei Generationen also haben die Juden einen Staat. Seit mehr als 2000 Jahren haben sie einen Zufluchtsort. Der Staat Israel ist Heimat für Menschen aus aller Welt, in aller Welt, die wegen ihrer Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben oder wegen ihrer jüdischen Abstammung diskriminiert, bedrängt, verfolgt werden.

Ja, das gibt es. Immer noch. Wieder neu. Und wieder mehr. Trotz der Vernichtung von sechs Millionen Juden durch die Deutschen in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur!

In Deutschland wurden am Donnerstag zwei Rapper geehrt, die in ihren Hassgesängen den Holocaust und die Opfer von Auschwitz mit Hohn überziehen: «Mein Körper, definierter als von Auschwitz-Insassen», rappen Farid Bang und Kollegah. Sie erhielten den wichtigsten deutschen Musikpreis Echo – genau am Holocaust-Gedenktag 2018.

An Demonstrationen für Palästina erschallt auf deutschen Strassen die Parole «Juden ins Gas». Deutschland lässt es zu, dass Kuwait Airways keine Juden als Passagiere an Bord lassen. In Schulen mit muslimischen Migrantenkindern gehört das Mobbing jüdischer Schüler zum Alltag. Die Lehrer resignieren. Eltern drängen ihre Söhne und Töchter, dass sie sich nicht als jüdisch zu erkennen geben. In manchen deutschen Städten trauen sich gläubige Juden nicht mehr, die Kippa zu tragen.

Die Politik sieht weg. Die Medien weichen der aggressiven islamischen Judenfeindschaft aus, indem sie den Antisemitismus als allgemeines Phänomen abhandeln. Wegsehen, verharmlosen: Deutschland unterwegs.

Auch in Frankeich werden Juden – wieder – drangsaliert. Die Jüdin Mireille Knoll, die während der deutschen Besetzung als Kind der Deportation nach Auschwitz entkommen war, wurde vor wenigen Wochen von einem jungen muslimischen Nachbarn mit Messerstichen getötet und danach verbrannt. Der Mörder hatte es auf Geld abgesehen, das er bei ihr vermutete. Juden haben Geld – so denken Antisemiten.

Der Mord an Mireille Knoll ist nur der aktuelle Höhepunkt des migrationsgetriebenen Judenhasses in Frankreich. Tausende Juden fühlen sich verunsichert und verlassen das Land, um sich in Israel niederzulassen.

Israel ist die Schutzburg für die Juden.

Israel ist aber auch eine Trutzburg.

Als einziger Garant westlicher Zivilisation im Nahen Osten ist diese Nation seit der Gründung umgeben von arabischen Staaten, die durch eine historisch verspätete Religion in vormodernen Verhältnissen gefangen sind, deren Menschen zum Teil von geradezu mittelalterlichen Regeln und Riten in Unmündigkeit gehalten werden.

Der Islam ist die Geissel der arabischen Welt. Und das hochmoderne Israel, dessen Wissenschaft und Wirtschaft ohne Übertreibung als Weltspitze bezeichnet werden dürfen, ist der Stachel in ihrem Fleisch.

Die Unvereinbarkeit von westlicher Moderne und islamischer Rückständigkeit ist einer der Gründe für den Hass, den die Führung der ­Gaza-Palästinenser gerade wieder zum Sturm auf den Grenzzaun zu Israel verleitet hat: Mit Steinen bewaffnet, berannten junge Palästinenser, darunter auch Knaben und Mädchen, die Befestigungen. Die israelischen Soldaten schossen scharf. Es gab Dutzende Tote.

Das aber war das Ziel der Demonstration: Bilder für die Weltmedien zu liefern vom Kampf des palästinensischen David gegen den jüdischen Goliath. So wird der Judenhass vom arabischen Raum in die weltweite islamische «Gemeinschaft der Gläubigen», die Umma,

hinausgestrahlt und immer wieder neu angefacht. Ganz besonders die europäische muslimische Jugend gehört zu den Adressaten ­dieser Propaganda.

Die Botschaft der bösen Bilder beflügelt weit über die Migration hinaus antiisraelische und antisemitische Militante. Das Drama des ­palästinensischen Volkes, das die Terrororganisation Hamas in Gaza zynisch ausbeutet, führt in Europa zu linker Solidarität: Man marschiert mit gegen Israel – und hat keine Einwände gegen den Judenhass, der bei diesen Demonstrationen skandiert wird.

Wozu auch? Viele der linken Mitmarschierer delegieren ihren eigenen Antisemitismus an die jungen Einwanderer aus muslimischen Ländern. Diese dürfen, was Linken, Grünen und Linksliberalen nicht erlaubt ist: Juden schmähen, die Vernichtung ihres Staates fordern und israelische Flaggen verbrennen.

Die Solidarität mit den islamischen Israel-Feinden gilt als Solidarität mit den Armen und Entrechteten der Dritten Welt. Die Tatsache, dass Armut und Entrechtung der Palästinenser religiös-kulturelle Ursachen haben, ist kein Gegenstand linker Analyse. Es geht ja um Gefühle – antisemitische.

Israel wird 70 Jahre nach seiner Gründung von diesen Linken als Unrechtsstaat diffamiert. In Tat und Wahrheit ist die jüdische Heimat-Nation eine Demokratie und ein Rechtsstaat: Hier wird in einer pluralistischen Gesellschaft frei gewählt. Hier wird nach rechtsstaatlichen Kriterien Recht gesprochen.

Vor allem wird Israel ohne Unterlass von Israelis kritisiert – die Siedlungspolitik, die orthodoxen Religiösen, die Diskriminierung arabischer Bürger, die Rückweisung afrikanischer Migranten, die Schüsse auf Palästinenser. Kein politisches Thema, das nicht Gegenstand inner-israelischer Kontroversen wäre.

In Israel kann man – kann Europas linke Szene – Demokratie lernen. Und dies nach 70 Jahren gefährdeter Existenz!

Welche westliche Nation hätte Demokratie und Rechtsstaat durch sieben Jahrzehnte existenzieller Bedrohung bewahrt? Welche westliche Nation hätte sich nicht in einen Ausnahmezustand eingeigelt, in ein autoritäres Notstandssystem verwandelt? Deutschland? Die Schweiz, die sich ja schon durch die Europäische Union bedroht fühlt?

Israel steht für die westliche Welt.

Steht die westliche Welt für Israel?

Stehen wir für die Juden?

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