Frank A. Meyer
Schall und Rauch

Publiziert: 16.07.2017 um 12:04 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 12:00 Uhr

War die Gewalt, die uns vor einer Woche in der Hamburger Innenstadt vorgeführt wurde, linke
Gewalt? Kann eine solche Zerstörungsorgie, kann die Plünderung von Geschäften, kann das Abfackeln parkierter Autos links sein?

Frank A. Meyer, Kolumnist.

Die Gewalttäter marschierten in Schwarz, das Gesicht vermummt, in der einen Hand die Eisenstange, in der andern den Pflasterstein.

Edel war das Outfit dieser Avantgarde der Arbeiterklasse: Die gerade angesagte Jeans sass tief auf der Hüfte, damit der angesagte Calvin-Klein-Slip angesagt daraus hervorblitzen konnte; teure T-Shirts modellierten perfekt trainierte Oberkörper; die schönsten der Marodeure marodierten oben ohne.

Marodierten? Marodeure?

Waren es nicht Revolutionäre, die Hamburg tagelang aufmischten, wie es in der Revoluzzer-Sprache heisst? Jugendbewegte Widerständler gegen alles, was die 20 bedeutendsten Wirtschaftsnationen und Schwellenländer, die G-20, an der Elbe repräsentierten?

Ja, so wars gedacht: Tausende Che Guevaras, Tausende Helden der Design- und Digital-Moderne gegen das Diabolische in der Welt, Linke, Linksaussen, Linksextreme – der Schwarze Block, wie er an 1.-Mai-Demos auch in der Schweiz zu wüten pflegt.

Von Liberalen und Grünen und So­zialdemokraten und Pfarrern und natürlich von der linksliberalen Publizistik wird dieser Täter-Typus seit Jahren toleriert – er ist ja links und links aussen und linksextrem und deshalb letztlich dem Guten zugetan, der Weltmoral!

Doch die Herren der Hamburger Strassen, zum Gewalt-Event herbeigeströmt aus ganz Europa, Sprösslinge wohlhabender Familien, denen sie ihre Wohlhabenheit endlich einmal heimzahlen und ordentlich um die Ohren hauen wollten, den wohlbestallten Vätern den Profit, den verwöhnten Müttern das Prada-Blüschen – diese Nachwuchs-Herrchen marschierten durch die Hansestadt wie einst die SA: in Reih und Glied, bevor sie in kleinen Gruppen Jagd machten auf Beute und Polizisten.

Warum nur trugen sie Schwarz?

Braun hätten sie tragen sollen.

Gibt es das: linke Gewalt, ja linken Strassenterror? Wäre das nicht ein Verrat am humanistischen Erbe der linken, der fortschrittlichen Bewegung?

Ja, doch, es gibt ihn, den linken Faschismus, den roten Faschismus – er unterscheidet sich in nichts von seinem rechten, braunen Pendant. In Hamburg war er gerade zu besichtigen.

Was es leider ebenfalls gibt: Gleichmut und Nachsicht dem Pack gegenüber, das sich mit linken Parolen drapiert, wie sie inzwischen auch Le Pen oder Wilders im Munde führen.

Einst war die demokratische Linke Garant von Recht und Ordnung, denn gerade der einfache Bürger war auf einen funktionierenden Rechtsstaat angewiesen – anders als die pekuniär Privilegierten, die sich ihr persönliches Recht jederzeit erklagen können.

Was ist bloss aus der linken Tugend von Law and Order geworden? Ist sie verloren gegangen auf dem Weg von der Arbeiterbewegung zur sozialdemokratischen Schickeria?

In Kreisen, die sich fortschrittlich dünken, ist das Thema Recht und Ordnung in Verruf geraten. Damit wurde ein rechts- und ordnungsfreier Raum geschaffen, in dem sich allerlei alternatives Volk versammelt, in «besetzten» Häusern und «befreiten» Quartieren, von Hamburg über Berlin bis Zürich.

Man sieht sich dort gern als Lumpenproletariat, also am äussersten Rand der Gesellschaft, allerdings ist man mitnichten in Lumpen gehüllt – und nie gezeichnet von proletarischer Arbeit.

Das Terror-Theater von Hamburg hat alles diskreditiert, was als Protest gegen die G-20 inszeniert werden sollte. Erinnert sich noch jemand an eine einzige Parole der 40000 Gipfel-Gegner, die friedlich demonstrierten?

Was blieb, war Schall und Rauch.

Schall der Petarden, Rauch der Brände.

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