Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat – und Geheimdienste. Das passt einfach nicht zusammen!
Wahr ist aber auch: Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat brauchen Schutz – unter anderem durch Geheimdienste. Das muss also zusammenpassen!
Ja, die offene Gesellschaft ist gefährdet: Der von Russland losgetretene Krieg in der Ukraine richtet sich letztlich gegen die Freiheit der westlichen Zivilisation. Ebenso die Exzesse des «Islamischen Staates», die Spitze eines Totalitarismus in religiösem Gewand. Aber auch Wirtschaftskriminalität stellt ein gewaltiges Risiko für unsere Gesellschaft dar. Schliesslich ist «Cyber-War», die virtuelle Kriegsführung, in seiner Gefährlichkeit noch gar nicht zur Gänze abschätzbar.
Was ist zu tun?
Der Ständerat versucht sich gerade in der Quadratur des Kreises: mehr Kompetenzen für den Nachrichtendienst, mehr Kontrolle durch die Politik.
Die Parlamentarier wissen, worum es geht. Die jüngste Vergangenheit liefert den Skandal zum Thema: In den Zeiten des Kalten Krieges wucherte der Schweizer Staatsschutz zum Staat im Staat, erfasste, verdächtigte und überwachte mehr als 700000 Bürgerinnen und Bürger, jeden zehnten Einwohner des Landes.
Camoufliert als Staatsschutz, inszenierten die Spitzel und Denunzianten einen systematischen, ideologisch motivierten Feldzug gegen kritische Einzelne und Gruppen – gegen kritisches, linksliberales oder linkes Denken. Sie taten dies sehr konkret, entsandten Agenten zu Arbeitgebern, in Redaktionen, auf Ämter, zu Behörden: um Arbeitnehmer und Mitarbeiter anzuschwärzen oder gar existenziell zu zerstören.
Die offiziellen Dunkelmänner arbeiteten auch mit inoffiziellen Datenbeschaffern zusammen, die der äusseren rechten Szene zuzurechnen waren.
Der Staatsschutz-Sumpf der Schweiz war in seiner Mentalität vergleichbar mit der Stasi der damaligen DDR unter ihrem wahngetriebenen Chef Erich Mielke. Dass die Schweizer Mielkes nie wirklich zum Zuge kamen, lag am Rechtsstaat, dem sie sich trotz allem zu unterwerfen hatten – an der demokratischen Zuverlässigkeit der Schweiz.
Der Name Mielke ist inzwischen zum Gattungsbegriff geworden: Mielkes gibt es immer und überall. Natürlich vornehmlich in Diktaturen und Despotien, doch leider auch in mancher Demokratie.
Der Sumpf geheimer Sicherheitssysteme gebiert in jedem Ambiente seine Sumpfblüten.
Darum ist nicht nur Kontrolle wesentlich, sondern zusätzlich eine weitere Tugend, die der Demokratie im Umgang mit ihren Staatsschützern ziemt:
Misstrauen!
Denn Staatsschutzorgane verdienen kein Vertrauen. In der Demokratie verdient nur Vertrauen, was öffentlich ist oder von Vertretern der Öffentlichkeit, also Parlamentariern oder Richtern, eingesehen werden kann.
Es stimmt zwar: Geheime Dienste können ihr Wissen nicht jederzeit und vollumfänglich vor den Medien ausbreiten, also vor allen Bürgerinnen und Bürgern. Solche Transparenz würde ihre Arbeit ad absurdum führen.
Weil die Dunkelkammern nun mal dunkel bleiben – bleiben müssen –, gilt für die kontrollierenden Gremien und Personen, aber auch für aufmerksame Citoyens die Parole: «Null Vertrauen!»
Das wiederum bedeutet:
Wenn ein Geheimdienstler erklärt, eins und eins ergebe zwei, lässt man dies am besten durch eine mathematische Fakultät nachrechnen.
Misstrauen gegenüber Nachrichtendiensten und Staatsschutzorganen ist Voraussetzung für Vertrauen – in die Demokratie, in den Rechtsstaat.