Frank A. Meyer
Maul halten

Publiziert: 11.03.2018 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:00 Uhr
Frank A. Meyer

Rund 72 Prozent der Stimmbürger sagten Nein zu No Billag.

Rund 72 Prozent der Stimmbürger sagten Nein zur Abschaffung der SRG.

Rund 72 Prozent der Stimmbürger sind bereit, für Radio und Fernsehen weiterhin 365 Franken pro Jahr zu bezahlen.

In der Demokratie zählt das Wort der Mehrheit. Das Wort der Mehrheit verwarf in diesem Fall eine Idee, die beim Bier entstanden war, die auf einem Bierdeckel Platz fand, die auch geistig nicht über das Format eines Bierdeckels hinausging: Die SRG sollte künftig kein Konzessionsgeld mehr erhalten.

Um nichts anderes ging es am vergangenen Sonntag!

Warum aber muss dies hier noch einmal ausdrücklich festgehalten werden? Weil die Reaktionen mancher Befürworter von No Billag nach der Abstimmung den Eindruck erwecken, das Volk habe den Umbau, sogar den Rückbau der SRG beschlossen.

So hört man und liest man und staunt man, dass die Debatte über Radio und Fernsehen nun erst recht losgehe. Die SVP möchte «endlich unterbinden, dass die SRG so viel macht». Die Zeitung «Nordwestschweiz» folgert aus dem Abstimmungsresultat, dass es nun geboten sei, «die SRG wieder auf ihre Kernfunktionen zu fokussieren». Die «Neue Zürcher Zeitung» sieht die Zeit reif für eine Gesetzesrevision, die es «den Befürwortern eines schlankeren Service public erleichtern würde, ihre Positionen einzubringen».

Roger Schawinski, der Schweiz schönster Schwadroneur, gibt den sozialdemokratischen Parlamentariern Tipps, wie sie die SRG finanziell kujonieren könnten. Ein christdemokratischer Ständerat lanciert die Idee, dem Fernsehen die Werbung nach 19.30 Uhr zu untersagen, was zum sofortigen Abfluss der betreffenden Werbegelder ins Ausland führen würde, wie eine Studie des Bundesamts für Kommunikation belegt – vorab in deutsche Privatsender wie RTL oder Sat.1 sowie in die Taschen des Grossverlegers von Tamedia, der bei diesen Deals als Zwischenhändler fungiert.

Letzteres erklärt auch, weshalb das Tamedia-Blatt «Tages-Anzeiger» gleich nach der Volksabstimmung mit dem Resultat einer neuen hauseigenen Umfrage aufwartete, wonach die Mehrheit der Bürger nur noch 200 Franken Konzessionsgebühr an die SRG entrichten möchten.

Die «Tagi»-Volksabstimmung nach der Volksabstimmung: abgestimmt auf die Interessen der Tamedia-Aktionäre.

Fazit der Debatte nach der Debatte: Journalisten wünschen ihren Kollegen bei der SRG den Stellenverlust, was automatisch die brutale Folge der propagierten Kürzungen wäre; Journalisten missgönnen ihren Kollegen die guten Arbeitsverhältnisse bei Radio und Fernsehen; Journalisten fordern, ihre SRG-Kollegen ökonomisch unter Druck zu setzen.

Wie ist das zu erklären? Am Beispiel «Tages-Anzeiger» ganz einfach: Dem Zürcher Blatt wurden in den vergangenen Jahren massiv Mittel gestrichen; die «Tagi»-Journalisten wissen, was es heisst, dem Marktdenken ausgeliefert zu sein; sie leisten ihre Arbeit unter grösstem Kostendruck; die «Tagi»-Beiblätter «Berner Zeitung», «Bund» oder «Zürichsee-Zeitung» werden durch Einsparungen sukzessive um ihre Eigenständigkeit gebracht und unterscheiden sich bisweilen sogar auf der Titelseite kaum noch voneinander.

All das sind bedauerliche, womöglich unvermeidliche Erscheinungen der neuen Medienrealität, denen die Redaktionen tapfer zu trotzen versuchen.

Weshalb aber soll nun auch die SRG unter vergleichbaren Druck gesetzt werden?

Hat das Volk mit seinem Nein zu No Billag irgendetwas entschieden, was sich in diese Richtung interpretieren liesse?

In einem Leitartikel bezeichnete der marktbesessene NZZ-Chefredaktor Eric Gujer die SRG-Medien als «Staatsfunk», wobei er den bösen Begriff auch noch in Verbindung mit dem vernichtenden Adjektiv «totalitär» brachte. Die Fake-News-Floskel «Staatsfunk» verwendeten auch die No-Billag-Anhänger systematisch zur Diffamierung von Radio und Fernsehen der SRG.

Doch siehe da: Nachdem das Volk den «Staatsfunk»-Feinden Nein gesagt hat, soll die Politik zu staatlichen Eingriffen in die Geschicke der SRG Ja sagen.

Die Prediger gegen den Staat rufen nach dem Staat!

Die SRG ist ein privates, von Staat und Politik unabhängiges Unternehmen. Für seine besonderen Leistungen erhält es – seit einer Woche ausdrücklich durch das Volk legitimiert – 1,2 Milliarden Franken jährlich. Was die Sendeanstalt sich einfallen lässt, um im Markt zu bestehen, in Konkurrenz zu den ausländischen Sendern, das ist allein ihre Sache.

Medien-Bundesrätin Doris Leuthard sagte, was zu sagen war, was erneut zu sagen ist: «Die SRG-Gegner haben keine Forderungen zu stellen.»

Für die Bürschchenschaften von der äusseren Rechten muss man es wohl noch ein wenig deutlicher formulieren:

Maul halten!

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