Eveline Widmer-Schlumpf referierte diese Woche an einer Medienkonferenz zum Thema «Too big to fail» über strengere Kapitalvorschriften für die Schweizer Grossbanken. Eine trockene Materie. Der in der Regel nicht minder trockene Zürcher «Tages-Anzeiger» berichtete mit unverhohlener Bewunderung:
«Die Politikerin erläuterte die komplizierte Finanzmarktvorlage bis in Details (...). Erst als sie schon lange über Fragen referiert hatte, die andere Bundesräte jeweils ihren Amtschefs überlassen, befand sie irgendwann, sie werde nun darauf verzichten, das System der Rabatte zu erklären.»
Galant und gerecht schloss der «Tagi» mit einem hoffnungsvollen Kompliment: «Der eine oder andere Parlamentarier wird sich, solange Widmer-Schlumpf nicht ihren Rücktritt bekannt gibt, vielleicht doch noch überlegen, ob sie nicht zu gross ist, um abgewählt zu werden.»
Ja, eigentlich ist sie das: zu fähig – intellektuell, politisch, handwerklich. Eveline Widmer-Schlumpf hat das Finanzplatz-Dossier, das die Schweiz seit Jahren umtreibt, mit Bravour gemeistert. Sie hat vorausgesehen, was auf das Land zukommt. Sie hat dafür Kritik eingesteckt. Sie hat «bella figura» gemacht auf der internationalen Bühne. Sie war dabei sehr allein, ohne grosse Fraktion, ohne mediale Machtmittel. Sie hat auch den Hass ertragen, mit dem ihre ehemalige Partei sie immer wieder zu verletzen suchte.
Die acht Jahre von Eveline Widmer-Schlumpf waren gute Jahre.
Das soll jetzt anders werden: Die SVP beansprucht einen zweiten Bundesratssitz – unterstützt vom Freisinn, der sich nach einem bescheidenen Wahlsieg freiwillig dem rechtspopulistischen Lager zuordnet. Versprochen wird ein «gemässigter» Kandidat. Der soll Eveline Widmer-Schlumpfs Platz einnehmen.
So ist es mit der SVP: Sie muss es ausdrücklich ankündigen, wenn sie sich ausnahmsweise einmal «gemässigt» zu geben gewillt ist. Es gehört zum Profil dieser Partei, unmässig zu polemisieren und masslos zu politisieren. Darauf beruht ihr Erfolg.
Wirklich gemässigt im Sinne von moderat ist die Politik der liberal-konservativen Eveline Widmer-Schlumpf. SVP-Mitglied war sie auch, regierend in Graubünden. Ausgeschlossen wurde sie, weil sie sich wählen liess anstelle des Gebieters der Partei, zu dessen Auftritt und Politik der Begriff «gemässigt» niemandem einfällt, der einigermassen bei Trost ist.
Wer 2007 und 2011 Eveline Widmer-Schlumpf wählte, wählte eine gemässigte SVP-Bundesrätin.
Ist es nicht so, dass der SVP vor acht Jahren widerfuhr, was Parteien in der Schweizer Parlamentsdemokratie widerfahren kann? Es wird nicht der offizielle Kandidat gewählt, sondern – der bessere.
Freisinn, Sozialdemokraten und Christdemokraten haben derlei akzeptiert. Sie grollten zwar, aber es geschah in der Regel zu ihrem Guten, wie die Personalien Georges-André Chevallaz, Willi Ritschard und Hans Hürlimann belegen.
Die Wahl der Besseren vor acht Jahren erwies sich sogar als Segen: für das Bundesratskollegium. Nach dem «Index des Vertrauens in öffentliche Institutionen», den die ETH Zürich jährlich durch repräsentative Befragungen ermittelt, geniesst die Landesregierung derzeit das höchste Vertrauen in der Bevölkerung seit 1995.
Am tiefsten war das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Bundesrat, als der Populistenführer mitregierte.
Der Vertrauenskredit soll nun also, nach dem Willen von SVP und FDP, verspielt werden?
Ein letzter Gedanke noch zu einem «gemässigten» zweiten Bundesrat populistischer Provenienz: Was ist der Kern des Begriffs «gemässigt»?
Mässig!
Das aber haben wir doch schon. Mit Ueli Maurer. Er verkörpert die SVP, dies sei hier eingeräumt, weit eher als Eveline Widmer-Schlumpf: mässig im Regierungshandwerk, mässig im Auftritt, mässig in der Leistung.
Welches Mass an Regierungsqualität benötigt die Schweiz?
Genügt das Mass des Herrn vom Herrliberg, der sich selbst für das Mass aller Dinge hält?
Deutschlands prominentester Talkshow-Moderator Günther Jauch bittet einen Schweizer auf die Debattenbühne in Berlin-Schöneberg. SonntagsBlick-Lesern ist er seit Jahrzehnten bekannt: Frank A. Meyer, dessen Kolumne Sie in dieser Ausgabe auf Seite 29 finden, diskutiert live mit den Politikern Elmar Brok (CDU) und Peter Gauweiler (CSU), dem «Stern»-Autor Hans-Ulrich Jörges und weiteren Gästen über das Thema «Flüchtlingszustrom ohne Ende – wird Europa jetzt zur Festung?»
Heute Sonntag auf ARD, 21.45 Uhr.
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