Frank A. Meyer
Illusion

Publiziert: 03.06.2018 um 13:24 Uhr
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Aktualisiert: 23.09.2018 um 15:42 Uhr
Frank A. Meyer

Die Schweizer Sozialdemokraten fordern eine staatliche Anerkennung für muslimische Glaubensgemeinschaften. Von den muslimischen Glaubensgemeinschaften fordern sie die Anerkennung der Gleichberechtigung von Frau und Mann, des säkularen Rechtsstaates sowie den Nachweis ­ihrer finanziellen Unabhängigkeit vom Ausland.

So soll ein Schweizer Islam entstehen.

Eine reizvolle Vorstellung. Fast schon eine Vision. Doch worum geht es da ganz konkret?

Geht es den Sozialdemokraten lediglich darum, dass sich der hierzulande praktizierte Islam mit unseren Rechtsnormen arrangiert – darum, dass die Muslime im Alltag unsere Gesetze respektieren?

Wenn es um nichts weiter geht, ist auch nichts auszuhandeln oder gar zu belohnen – schon gar nicht mit einer staatlichen Anerkennung muslimischer Gemeinschaften. Denn es gilt bereits heute: Wer sich in der Schweiz aufhält, hat Schweizer Recht zu befolgen. Punktum.

Leider dreht sich die öffentliche Debatte immer wieder um den Unwillen des Islam, seine religiösen Dogmen dem weltlichen Recht unterzuordnen – vor allem dann, wenn es um die Gleichberechtigung der Frau geht. Die Religions-Funktionäre operieren dabei gern mit dem ­Begriff «Geschlechtergerechtigkeit», auf den Linke ebenso gern hereinfallen, der aber nichts anderes bedeutet als die fortgesetzte Ungleichheit der ­Geschlechter: frauengerecht wie kindergerecht.

Ein Sonderabkommen mit muslimischen Verbänden über Rechte und Pflichten, die sie ohne jede Relativierung zu akzeptieren haben, wäre ein Kniefall vor deren Glaubensarroganz.

Was aber, wenn die SPS von den Muslimen mehr will als die Befolgung von Schweizer Recht? Wenn sie die Verinnerlichung hiesiger Werte, also westlicher Werte verlangt – echte ­Integration und nicht nur zweckdienliche Anpassung? Sie würde damit Unmögliches fordern, nämlich den Verzicht auf die Diskriminierung der Frau und auf die Einheit von Religion und politischer Herrschaft: auf wesentliche ­islamische Glaubensinhalte.

Selbstverständlich gibt es Muslime, die der Freiheitsordnung von Demokratie und Rechtsstaat den Vorzug geben vor ­religiöser Unterordnung. Und die gerade deshalb nach Europa emigriert sind – weil sie das islamische Religionsregime für ihre persönliche Entwicklung hinderlich finden, sogar unerträglich. Doch ­diese Migranten leben ihr säkulares Leben, ohne gegen die Doktrinäre in Moscheen und Verbänden aufzubegehren. Von Liberalen und Linken wird westlich emanzipierten Muslimen kaum Beachtung geschenkt. Man ist auf den konservativen Islam fixiert, geradezu närrisch fasziniert von dessen autoritärer Glaubenswelt.

Der Schweizer Philosoph und Theologe Martin Rhonheimer, Autor des Buches «Christentum und säkularer Staat», erklärt in einem Interview den Herrschaftsanspruch von Koran und Scharia mit folgenden Worten:
«Der Islam ist nicht nur Reli­gion, er umfasst ein politisch-­religiöses Sozial-, Rechts- und Herrschaftssystem. Das islamische Menschenbild geht auf die Vorstellung zurück, dass Allah die Menschheit als Muslime geschaffen hat, dass alle Nichtmuslime deshalb eigentlich Abtrünnige sind. Folglich kann es im Islam auch keine Unterscheidung zwischen Schöpfungsordnung und Heils­ordnung geben. Ebenso wenig ist eine Unterscheidung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt möglich, wie es auch kein Naturrecht ­geben kann, das für alle Menschen, auch die ‹Ungläubigen›, unterschiedslos moralischer Massstab ist. Und damit können auf islamischer Grundlage auch keine allgemeinen Menschenrechte anerkannt werden. Nur die Scharia kann hier als wahres Recht anerkannt werden.»

Rhonheimers Fazit: «Der Islam ist die Antithese zum Christentum.»

Dadurch aber ist die islamische Glaubenswelt auch das Gegenteil der westlichen Zivilisation: der offenen Gesellschaft, demokratisch und rechtsstaatlich verfasst, gegründet auf der christlichen Erkenntnis von der Gleichheit aller Menschen als Ebenbilder Gottes.

Die Wertewelt des Westens ist für das islamische Glaubensbekenntnis inakzeptabel. Wer von den Muslimen fordert, sich deren Werte zu eigen zu machen, der fordert sie auf zur Häresie – zum Abfall vom eigenen Glauben.

Was die Schweizer Sozialdemokraten mit dem Islam im Sinne haben, ist entweder obsolet – oder eine Illusion.

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