Frank A. Meyer
Foul

Publiziert: 29.07.2018 um 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 22.09.2018 um 19:38 Uhr
Frank A. Meyer

Da hat sich also Mesut Özil, Spitzenspieler der deutschen Nationalmannschaft, mitten im Wahlkampf neben dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ablichten lassen. Es war Wahlhilfe. Anders ist das Bild nicht zu interpretieren.

In Deutschland erhob sich Empörung: Der Meister des Fussballs, Held der Weltmeisterschaft von 2014, wirbt mit seinem glanzvollen Image für den türkischen Meister des Machtmissbrauchs.

So etwas tut ein Deutscher nicht! So etwas tut ein deutscher Demokrat nicht! So etwas tut kein Demokrat!

Genau das war der Auslöser der Proteste gegen Özils Fototermin mit dem Diktator: Deutsche Demokraten liessen ihrem Zorn auf den Mitbürger Mesut Özil freien Lauf.

Haben die Deutschen damit den Migrantensohn ausgegrenzt? Als Türken geschmäht? Gar als Muslim beschimpft? All das wird von linksliberal bis links aussen beklagt. Nicht zuletzt von Özil selbst. Steht Deutschland vor einem Abgrund des Rassismus?

Das Gegenteil ist der Fall: Die Unmuts-äusserungen über das Fotoshooting mit dem Despoten zeigen, wie selbstverständlich die Deutschen in Mesut Özil den Deutschen sahen, der mit seinem fragwürdigen Auftritt das demokratische Selbstverständnis der Nation verletzte.

Hätte es dieselben Proteste auch dann gegeben, wenn der Meisterkicker für das fussballverrückte Deutschland nichts weiter wäre als ein Söldner aus Anato­lien? Man hätte das Bild mit Erdogan indigniert abgebucht: Migrant eben.

Doch Özil war das Paradebeispiel für die gelungene Integration von Einwanderern der zweiten Generation. Deshalb ging dieses Foto nicht. Der Urgrund der Proteste war: Der ist doch einer von uns!
Mesut Özil verweigerte sich dieser Sicht der Dinge. Aus politischem Kalkül? Aus intellektuellen Unvermögen?

Die migrationsseligen Medien bemächtigten sich des Falles. Sie stilisierten den Deutschen, der sich seinerseits als Türken stilisierte, zum Opfer von «Migranten- und Islamhassern», wie die angesagten Diffamierungsvokabeln gerade lauten.

Inzwischen ist das Opfer ein Held der Linken. Die Berliner «Tageszeitung» (Taz) titelte auf Seite eins: «Danke, Mesut»!

Danke wofür? Man kanns beim besten Willen nicht anders lesen: Danke für dein Propaganda-Bild mit Erdogan.

Um zu verdeutlichen, worum es geht, sei folgende Frage gestellt: Wie hätte die Szene von linksliberal bis links aussen reagiert, wäre Mesut Özil in Wahlkampfzeiten auf einem Bild neben dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz ertappt worden? Einem Politiker, der mit Rechtspopulisten regiert?

Der Nationalspieler in holder Eintracht mit einem bekennenden Nationalisten!
Was wäre da bei der deutschen Linken passiert? Hätte die «Taz» auf Seite eins getitelt: «Danke, Mesut!»?

Das Rassismus-Lamento der Linken wäre über den Fussballer hereingebrochen, mit der vollen Wucht der Medienmacht. Sebastian Kurz ist nun mal seit Jahren eines ihrer liebsten Feindbilder.

Zur Vertiefung dieses fiktiven Beispiels für die deutsche Migrationsrealität seien deshalb noch weitere fiktive Fragen erlaubt: Wessen hat sich der österreichische Kanzler schuldig gemacht? Hat er sich mit einem Ermächtigungsgesetz zum Diktator emporgeschwungen? Hat er Zehntausende Bürger verhaften lassen, Polizisten, Richter, Beamte aus dem Amt gejagt? Hat er die Medien gleichgeschaltet?

Hat Sebastian Kurz den ehemaligen «Taz»-Journalisten und «Welt»-Korrespondenten Deniz Yücel ohne Gerichtsverfahren über Monate eingekerkert?

All dies hat Erdogan getan. Und er fährt damit fort.

Den deutschen Fussballer Özil kümmert derlei nicht. Wie könnte es auch. Der strenge Vater des türkischen Volkes hat ihn ins Herz geschlossen, hat ihn sogar angerufen, wie Erdogan stolz verlauten liess – um ihm den Überschwang seiner Gefühle mitzuteilen: «Ich küsse seine Augen.»

Mesut Özils Schmerzenstränen über die rassistischen Deutschen waren damit aufs Zärtlichste zum Versiegen gebracht. Das Schmusepaar verzückt die linke Me­dien-Community. So fand denn die «Taz» mit ihrem Titel zu dieser historischen Stunde die angemessen schlichten Worte:

«Danke, Mesut!»

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