Frank A. Meyer
Fleisch vom Fleische

Publiziert: 16.10.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 04:54 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Dies ist der freundliche Versuch, einen irritierenden Umstand ins öffentliche und damit ins rechte Licht zu rücken – nicht zuletzt in der Hoffnung, unserem verehrten Kollegen Robert Mayer von der hochwohllöblichen Zürcher Gazette «Tages-Anzeiger» ein wenig auf die Sprünge zu helfen.

Zu solchem Zweck zunächst der aktuelle Anlass: Der Stadtstaat Singapur, für Generationen von globalen Geldgaunern das Gelobte Land, ist dabei, seinen arg beschmutzten Ruf zu reinigen. Jüngstes Beispiel ist die Schliessung der Falcon Private Bank. Das ­Finanzinstitut ist in unserem Alpenländchen ansässig, welches wiederum seine putzigen Gegenden seit jeher für Geldgeschäfte aller Art bereitstellt, vorab natürlich Orte, die an lieblichen Gestaden liegen, sei es Zürich, Genf oder Lugano.

Nun denn, die Singapur-Filiale der Falcon-Bank muss schliessen, weil sie emsig Geldwäscherei betrieben hat, und zwar in Zusammenhang mit der Korruptions-Karambolage rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB – ein Skandal, den mit dem ­Adjektiv «gigantisch» zu versehen in keiner Weise übertrieben ist.

Seis drum, wir sind es allmählich gewohnt, die winzige Schweiz in der grossen Finanzwelt als Täterländchen wahrzunehmen. Womöglich sind wir gar genetisch dagegen gefeit, ein schlechtes Gewissen zu haben.

Auch haben wir die Finma. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht. Eine Institution, die fehlbare Finanzakteure mit strenger Hand in die Schranken weisen soll.

Im Fall der Falcon-Bank hat sich die Finma folgende Sanktion abgerungen: Das Geldhaus muss illegal erzielte ­Gewinne in der Höhe von 2,5 Mil­lionen Franken rausrücken; es darf ­während dreier Jahre keine politisch exponierten Personen mehr als Kunden bedienen.

Die Schweizer Falcon-Bank kommt also mit einer Bewährungsstrafe davon – Ermunterungsstrafe wäre der angemessene Begriff.

Warum diese Milde? Hier kommt nun eine berechtigte Frage des «Tages-Anzeiger»-Journalisten Robert Mayer ins Spiel: Es sei, so erwägt der nachdenkliche Wirtschaftsredaktor, kaum «nachvollziehbar, weshalb die Finma gegenüber Falcon nicht ebenfalls zum ultimativen Mittel der Bankenschliessung gegriffen hat».

Robert Mayer verweist sachkundig auf die Schliessung der Tessiner Bank BSI, die ebenfalls in den 1MDB-Korrup­tionsfall verwickelt war. Und er wagt die Schlussfolgerung: «Der Verdacht liegt nahe, dass die im Mai verfügte Auflösung der BSI der Finma deshalb leicht fiel, weil die Bank vor dem Verkauf stand.»

In der Tat, so könnte es sein. Für diese softe Form von Bankenaufsicht – wenn denn das Wort Aufsicht überhaupt angebracht ist – fand vor zwei Jahren ebenfalls der «Tages-Anzeiger» die formidable Formel: «Der Finma-Chef teilt aus, ohne jemandem wehzutun.»

Der Finma-Chef heisst Mark Branson. Er ist beeindruckend fachkundig, weil beeindruckend erfahren in allem, was die Finanzwirtschaft zu pexieren beliebt, gehörte er doch vor gar nicht langer Zeit zum Inner Circle – zur innersten Clique – der UBS, und zwar just in jenen Jahren, als sich das Zürcher Institut ­anschickte, mit aggressiv-­dubiosem Geschäftsgebaren zur Weltbank aufzusteigen. Von 2006 bis 2008 führte der heutige Finma-Chef die UBS-Tochter in

Japan, also ausgerechnet eine jener Banken, die den globalen Referenzzinssatz Libor über Jahre hinweg manipulierten.

Mark Branson war ein Banker, wie andere Banker Banker waren, Banker sind. Sie bezogen, sie beziehen Millionengehälter plus Millionenboni: als Abgeltung der Verantwortung, die ­ihnen übertragen sei, wie sie gerne ­feierlich erklären. Mark Branson ­überstand all seine Verantwortung unbeschadet – verantwortungsfreie Verantwortung.

Das ist womöglich die Antwort auf das Rätselraten des Wirtschaftsjournalisten Robert Mayer: Mark Branson ist Fleisch vom Fleische der Banken. Er weiss, was sich den Banken gegenüber gehört. Vor allem weiss er, was unerhört wäre: Verrat an den früheren Vertrauten und Freunden. An Komplizen?

Ja, so ist die Bankenaufsicht der Schweiz beschaffen: geführt von ­einem Delegierten der Banken. Ganz im Geiste der Banken.

Wo sonst in einem demokratischen Rechtsstaat – in einer demokratischen Kultur – wäre derlei möglich?

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