Frank A. Meyer
Fatihs Leiden

Publiziert: 26.07.2015 um 16:17 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:31 Uhr

Beschämt senken wir die Augen. Wie Täter, die sich ertappt fühlen. Wieso tun wir das? Weil wir auf «20 Minuten online» einen erschütternden Satz des Extremismusexperten Samuel Althof lesen, der da lautet: «In einer schwierigen Lebensphase hat er sein eigenes Leiden projektiv im Leiden von Muslimen wiedererkannt (...) und in der IS-Ideologie die Lösung für beides gesehen.»

Die Botschaft: Fatih aus Liestal schulterte zum eigenen Leiden auch noch das ganze existenzielle Elend seiner Glaubensgenossen und begab sich in den «Heiligen Krieg» des IS – ein Horror mit Enthauptungen, Vergewaltigungen, Versklavungen, Demütigungen. Terror als Handwerk.

Terror als Alltag, in Syrien, im Irak, mit Ausflügen in die westliche Welt, beispielsweise nach Paris zum Abschlachten der Redaktion von «Charlie Hebdo» sowie von jüdischen Menschen in einem Supermarkt.

All dies gehört also zur fundamentalen Befreiung vom Leiden, das sich einstellte, nachdem Fatih, «der jüngste Sohn einer Grossfamilie», wie das Zürcher Wegwerfblatt mitfühlend erläutert, «vergeblich eine Lehrstelle» gesucht hatte.

Welche Tragik! Verursacht durch irgendwelche gottvergessene Unternehmer, die dem gläubigen Muslim partout kein Plätzchen an ihrer Werkbank gönnten. Wenn das der liebe Gott erfährt! Er wird sich mit Allah solidarisieren.

Der «Tages-Anzeiger» aus dem gleichen Verlagshaus, eine Mutter Teresa aller multikulturell mitleidenden Medien, betrauert ganz grundsätzlich das schreckliche Schicksal von Dschihadisten aus dem Westen, die «für radikale Ideologien besonders anfällig sind», weil «von einer schweren Kindheit geprägte Jugendliche».

Darum sei Gefängnis für die Rückkehrer aus dem Dschihad falsch, grundfalsch, was ja ganz besonders das Schicksal der Attentäter von «Charlie Hebdo» belege, die doch «im Gefängnis radikalisiert worden» seien. Besser hingegen wären gemeinnützige Arbeit plus Resozialisierung, was zwar viel Geld koste, letztendlich aber eine Investition «in den Schutz der Bürger» bedeute.

Wohlverstanden beschreibt der sanft beseelte «Tages-Anzeiger» Realitäten, die vom IS ins Netz gestellt werden – nach der Devise: «Tue Schlechtes und rede darüber.» Alle Gräuel des IS und ähnlicher Gottes-Terroristen, von Journalisten reihum immer noch als «IS-Kämpfer» geadelt, sind für jedermann online in Bild und Ton zu besichtigen.

Fatih aus Liestal – ein Kämpfer? Ein Mörder oder Mitmörder! Er wusste, was er tat, als er sich auf den Weg nach Syrien machte.

Wer nun die mangelnde soziale Betreuung für das mörderische Ausflippen muslimischer Machos verantwortlich macht, hat etwas gemeinsam mit den Ideologen des Islam. Auch nach deren Ansicht ist an allem das westliche System schuld: das Sozialsystem im Kleinen, das kapitalistische System im Grossen, der Westen überhaupt.

Verantwortung für sich selbst? Wissen um Gut und Böse? Pipifax!

Ethik? Moral? Egal, wenn man aus ­einer Grossfamilie kommt und keine Lehrstelle findet.

Wie verhält es sich eigentlich – um bei den Migranten zu bleiben, allerdings bei nichtmuslimischen – mit Jugendlichen aus asiatischen Grossfamilien, die keine Lehrstellen finden? Sehen sie die Lösung ihres Prob­lems auch im Massakrieren, Terrorisieren, Vergewaltigen? In Attentaten auf missliebige Karikaturisten?

Oder wie verhält es sich mit Jugendlichen aus unserer westlich säkularen Kultur? Haben die nur noch nicht begriffen, wie befreiend leicht es sich morden und mitmorden lässt, wenn man im eigenen Alltag nur genügend unter sozial unbefriedigenden Verhältnissen leidet?

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