Das Landgericht München hat Josef Ackermann vom Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs freigesprochen. Der Arztsohn aus Mels war von 2002 bis 2006 Vorstandssprecher der Deutschen Bank, von 2006 bis 2012 deren alleiniger Vorsitzender. Mit Ackermann wurden zwei seiner Vorgänger und vier weitere Spitzenbanker freigesprochen.
Joe, wie ihn seine Freunde nennen, ist ein redlicher Mann. Mehr wäre nicht zu sagen.
Wäre.
Es ist aber mehr zu sagen. Denn Josef Ackermann beklagte sich bitterlich über das Gerichtsverfahren: «Ich schäme mich für die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland.»
Richter Peter Noll belehrte den Angeklagten, als er den Freispruch verkündete: «Das war ein rechtsstaatliches Verfahren, für das sich niemand schämen muss.»
Ja, so funktioniert nun mal der Rechtsstaat: Gerichte untersuchen, verurteilen oder sprechen frei – wie eben gerade in München.
Es ist nicht das erste Mal, dass Joe Ackermann der deutschen Justiz die Berechtigung abspricht, über ihn Recht zu sprechen. Auch als er 2004 im Mannesmann-Prozess die Ausschüttung von 57 Millionen Euro für einen Manager rechtfertigen musste, empörte er sich: Deutschland sei «das einzige Land, wo die Leute, die Werte schaffen, vor Gericht kommen».
Die Deutsche Bank, deren Geschicke und Kultur der Schweizer nachhaltig bestimmte, steckt in einer Krise wie kein anderes global operierendes Finanzinstitut: wegen Manipulation des Leitzinses Libor, wegen Verstrickung in Geldwäscherei, wegen Devisenvergehen – «und was sonst noch alles an kriminellen Machenschaften in den vergangenen Jahren hochgekommen ist», wie die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» (FAS) feststellt.
Die Deutsche Bank, die für mehr als 6000 Rechtsverfahren Milliarden an Rückstellungen bilden musste, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Die FAS fürchtet sogar um die Existenz des Finanzriesen: «Zerfällt nun auch noch die Führung, dann kollabiert womöglich der ganze einst so stolze Konzern.»
So viel zu den «Werten», die Josef Ackermann in Frankfurt geschaffen hat.
Doch «Joe» ist ein redlicher Mann. Persönlich hat er sich nichts zuschulden kommen lassen. Das Debakel der Deutschen Bank verantwortet er als deren langjähriger oberster Manager – nicht als Delinquent im rechtlichen Sinn.
Wie aber kommt Josef Ackermann dazu, der deutschen Justiz Lehren zu erteilen?
Das ist zu erklären mit der Welt, in der er sich als Finanzmanager zu bewegen pflegte: eine Welt von Führungskräften, die sich bis zur Finanzkrise allmächtig wähnten, hofiert und bewundert durch Politik und Publizistik.
Zu Joes Sechzigstem richtete Angela Merkel eigens eine Geburtstagsfeier im Bundeskanzleramt aus.
Grössenwahn war lange Jahre ein Charakteristikum der globalen Geldelite. Die Ackermänner sahen sich als «Masters of the Universe» – als Herren der Welt.
Was hatte – was hat – ein deutsches Landgericht, ja überhaupt ein irdisches Gericht in solchen Gefilden zu suchen – zu untersuchen?
Der Rechtsstaat ist für die da unten, nicht für die dort oben.
Haben die Herren der Hybris seit der Finanzkrise 2007/2008 etwas gelernt? Aus dem Nullsummen-Spiel ihrer Spekulationen? Aus den zahllosen Gerichtsverfahren? Aus den Verlusten an Ansehen ihrer Branche? Aus dem Reputationsschaden, den die Deutsche Bank ganz Deutschland zugefügt hat?
Manche lernens nie.