Die EU droht uns.
Die EU setzt uns unter Druck.
Die EU erpresst uns.
Die EU will uns Böses.
So vermelden es tagtäglich die Medien. Und so reden die Politiker über die Europäische Union – einst vor allem von ganz rechts, neuerdings auch die von links.
Dem Bürger wird der Eindruck vermittelt: Die EU ist Feindesland; die Schweiz ist umstellt; es herrscht kalter Krieg.
In Tat und Wahrheit lebt die Schweiz mitten in einem friedlichen Europa, das sich zusammengefunden hat, um Probleme gemeinsam zu lösen, die einzelne Nationalstaaten allein weniger gut lösen können oder gar nicht. Auch hat sich dieses Europa vereinigt, um eine Macht zu sein im Mächtespiel auf dem Globus.
Die Niederlande gegen China – ein Witz. Die EU gegen China – ein Problem für China.
So ist die Realität. Und von dieser Realität profitiert die Schweiz. Ohne Mitglied der EU zu sein.
Sie profitiert als wissenschaftliche und industrielle Weltspitzennation; sie profitiert als Weltfinanzplatz; sie profitiert als viersprachiger Kulturraum.
60 Prozent der Schweizer Exporte gehen in die Europäische Union, also in den rechtsstaatlich und demokratisch sichersten Weltteil. Die Menschen, die unsere Produkte kaufen und unsere Dienstleistungen geniessen, sind uns freundlich gesinnt, bewundern uns sogar.
Muss man solche Banalitäten aufzählen? Ja, man muss.
Die EU will ein Rahmenabkommen mit der Schweiz, damit sich die wechselseitigen Beziehungen geordnet weiterentwickeln und nicht jedes Thema neu verhandelt werden muss, wenn sich Verhältnisse ändern.
Um dieses Rahmenabkommen findet in der Schweiz ein unwürdiges Gezerre statt. Zum Beispiel um vier statt – wie bisher – acht Tage Voranmeldefrist für EU-Unternehmen, wenn die in der Schweiz Aufträge ausführen möchten.
Die Gewerkschaften blasen die Fristenfrage auf zu einer Frage von Sein oder Nichtsein.
Wärs nicht ernst, wärs zum Lachen – ein Affentheater. Aber es ist ernst, denn es geht ums Sein der Schweiz in Europa, ums Prosperieren durch Teilnahme am europäischen Leben: wissenschaftlich und wirtschaftlich und kulturell.
Dagegen stehen acht Tage Voranmeldefrist.
Dagegen stehen auch all die nationalistisch verbrämten Dummheiten der äusseren Rechten: Dass mit dem Rahmenvertrag in Zukunft ein Gremium fremder Richter über Wohl und Wehe der Schweiz bestimmen werde; dass die Freiheit des freiesten aller freien Völker damit auf dem Altar der Union geopfert werde; dass ein umfassendes Abkommen mit der Feindesmacht EU nichts anderes bedeute als das Grüssen des Gessler-Hutes.
Die Europäische Union ist das bedeutendste Projekt, das die freie westliche Zivilisation im 20. Jahrhundert realisiert hat. Garant für Frieden und Freiheit, Leuchtturm in einer sich verfinsternden Welt.
Ein historisches Wunder.
Mitten in diesem Wunder lebt die Schweiz. Sie lebt glücklich mittendrin. Und dennoch möchte sie am liebsten nichts wissen von dieser sie vielfältig schützenden Umwelt.
Die Schweiz allein – das ist die grosse Sehnsucht.
Die Utopie.
Eine kindliche Utopie. Genau das drückt sich in der aktuellen Quengelei um das Rahmenabkommen aus: Infantilismus!
Denn was anderes ist die Behauptung der Gewerkschaften, dass die Acht-Tage-Anmeldefrist wichtiger sei als die Zukunft der Schweiz in Europa?
Lässt sich der linke Infantilismus steigern? Blocher schafft es. Das Rahmenabkommen bedeute für die Schweiz «Selbstmord».
In Grossbritannien haben mit David Cameron und Boris Johnson zwei Zöglinge der blasierten Eton-Elite die einst so stolze Nation mutwillig an den Rand des Desasters manövriert. Sie haben mit Land und Volk gespielt – ihr eitles Machtspiel aufgeführt.
Auch in der Schweiz spielt man ein Bubenstück.