Frank A. Meyer – die Kolumne
Wie rechts ist die Linke?

Publiziert: 28.04.2019 um 12:03 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

In der «Wochenzeitung» waren jüngst wohlwollende Worte zu lesen über «muslimische Mode», also über Kleider, die einerseits den religiösen Vorschriften des Islam gehorchen, andererseits modernem Design genügen. Die muslimische Damenwelt sucht Anschluss an den Westen, die Modeschöpfer möchten den muslimischen Markt erobern. Der ganzseitige «WOZ»-Bericht galt einer Frankfurter Ausstellung, die all dies präsentiert und propagiert.

Wer aber ist das, die muslimische Damenwelt? Es handelt sich um Frauen herrschender Familien und Despoten, die eifrig die Luxusboulevards westlicher Metropolen frequentieren, von der Zürcher Bahnhofstrasse über die Champs-Élysées bis zum Kurfürstendamm.

Dem Einkaufserlebnis bei Chanel, Dolce & Gabbana, Louis Vuitton, Gucci und Konsorten freilich ist das Schwarz von Hidschab (Kopftuch), Abaya (langem Gewand) oder gar des Nikab (Gesichtsschleier) abträglich, dieses freudlose Verstecken von Haaren, Körper und Gesicht zwecks religiös verordneter Auslöschung der fraulichen Persönlichkeit.

Die Millionärsgattinnen, wiewohl ihren Herren züchtig ergeben, fordern die Moderne wenigstens in der Mode. Dazu bedarf es Outfits in frechen Farben und femininen Formen. Die Gebieter jener Damen sind grosszügig, verlangt es doch auch sie nach Teilhabe am westlichen Glamour.

Diese Entwicklung auf dem Markt des Luxus und der Moden feiert die linke Wochenzeitung als «Kleider für stilbewusste Musliminnen».

Stilbewusste Musliminnen? Dazu gäbe es so manches zu erzählen:

Zum Beispiel die Geschichte der stilbewussten Muslimin in Saudi-Arabien, die sich ohne Kopftuch und im bunten Rock auf Twitter präsentierte. Sie wurde verhaftet.

Oder die Geschichte der stilbewussten Teheraner Muslimin, die ihr Haar unter dem Kopftuch hervorblitzen liess. Sie wurde von der Sittenpolizei auf offener Strasse verprügelt.

Oder die Geschichte jener stilbewussten 29 Musliminnen, ebenfalls im Iran, die sich demonstrativ ihres Kopftuch entledigt hatten, um gegen die Verschleierungspflicht zu protestieren. Sie wurden festgenommen.

In der Tat, die Medien sind reichlich eingedeckt mit Geschichten von modebewussten Musliminnen, denen der Sinn nicht nach muslimisch-modischer Kleidung steht, sondern einfach nur nach – Befreiung! Ihnen drohen nicht allein Verhaftungen und Prügel, auch die Auspeitschung für solche Sünde ist unter der islamischen Männerherrschaft geläufig. So wurde die iranische Sacharow-Preisträgerin Nasrin Sotoudeh zu 148 Peitschenhieben verurteilt. Die stilbewusste Muslimin hatte sich gegen den Kopftuchzwang engagiert.

Zur Frankfurter Propagandashow für die glaubenskorrekte Kleiderordnung gesellt sich ein Streit an der Frankfurter Goethe-Universität, woselbst die Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter, Direktorin des Forschungszentrums globaler Islam, kontrovers über das Kopftuch diskutieren wollte: «Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?»

Das allerdings war linken Studierenden zu viel der Diskussionsfreiheit. Sie bezichtigten die Professorin des Rassismus und verlangten ihre Entfernung von der Universität: «Wir können das nicht länger dulden und fordern deshalb, dass die Veranstaltung an unserer Uni abgesagt wird und Prof. Dr. Susanne Schröter ihrer Position enthoben wird!»

Einst galt für Linke die Religion als Opium des Volkes, wie Gevatter Marx es dekretiert hatte. Heute ist der religiöse Totalitarismus des Islam ihr neustes Faszinosum.

Einst zählte die Befreiung der Frau zum historischen Auftrag der Linken. Heute ist die Kleider-Apartheid der Frau im Islam für sie Ausdruck einer zu respektierenden Kultur.

Einst gehörte der Kampf gegen den Rassismus zum Selbstverständnis der Linken. Heute verteidigt sie den Rassismus gegen Frauen im Islam und diffamiert die Kritiker der Scharia-Religion als Rassisten.

Verkehrte Welt? Vielleicht nicht.

Vielleicht war die Linke nie die Bewegung der fortentwickelten Aufklärung. Vielleicht hat sie sich den bürgerlichen Werten nie umfassend verpflichtet gefühlt. Vielleicht hat sie nie wirklich geachtet, was sie für sich forderte und nutzte: Freiheit und Gleichheit.

Vielleicht entdeckt sich diese Linke im Islam gerade selbst: Ideologie als Religion, antikapitalistisch und antiwestlich, autoritär und totalitär – der andere Faschismus.

Liegt hier ein Missverständnis vor? Eine Missdeutung gar? Die linken Säuberer von Streitkultur und Debattensprache skandieren doch mit Leidenschaft Parolen des Antifaschismus!

Der Trugschluss liegt bei diesen Linken selbst, die ihre Aktionen mit dem Kürzel «Antifa» adeln. Der italienische Schriftsteller Ignazio Silone fand dazu die Formel: «Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus.»

Ja, wie fa ist die Antifa?

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