Frank A. Meyer – die Kolumne
Verrückt geworden

Publiziert: 26.05.2019 um 12:06 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:08 Uhr
Frank A. Meyer
Frank A. Meyer

Wie gefährlich ist Huawei? Besteht das Risiko, dass die chinesische Smartphone-Firma die Sicherheit westlicher Demokratien bedroht? Dass sie die neue Mobilfunk-Infrastruktur 5G nutzt, um Spionage zu betreiben?

Donald Trump hält diese Gefahr für gegeben.

Bisher benutzte der Kommunikations-Konzern die Android-Software von Alphabet, der Konzernmutter von Google. Damit soll Schluss sein. Der US-Prä­sident hat Huawei auf eine schwarze Liste gesetzt – und die Marktoffensive der Chinesen gestoppt.

Dramatisiert Donald Trump?

Der Nachrichtendienst des Bundes hält den amerikanischen Alarmismus für übertrieben. Bern sieht den Konflikt zwischen China und den USA vielmehr als Teil eines Wirtschaftskrieges.

Huawei bietet europäischen Partnern, auch der Schweiz, ein «No-Spy-Abkommen» an – eine «Anti-Spionage-Vereinbarung». Firmengründer Ren Zhengfei beteuert: «Wir würden eher Huawei schliessen, als irgendetwas zu unternehmen, das den Interessen unserer Kunden schadet.»

Womit hat es die Schweiz zu tun? Mit einem vertrauenswürdigen China-Konzern? Und einem durchgedrehten Donald Trump?

Ja, so klingts inzwischen. Man übt Äqui­distanz – gleichen politischen Abstand – zu den Kontrahenten. Und weil der Präsident liebend gern den Berserker gibt, liegt die Sympathie sogar eher bei den provozierten Chinesen, die mit ihren Smartphones die westliche Jugend begeistern.

China ist eine Diktatur, die ihre Bürger per Gesichtserkennung im Alltag überwacht. Und sie mit einem Sozialkredit­system danach bewertet, ob sie die totalitären Tugenden befolgen. Wer als angepasst eingestuft wird, darf reisen und studieren, erhält Bankkredite und gute Arbeitsstellen.

Die schöne neue chinesische Welt entwickelt sich zu einem totalen Totalitarismus, wie ihn die Geschichte bisher nicht kannte: digital-avantgardistisch.

Auch die klassischen Unterdrückungsmethoden sind den Machthabern im Reich der Mitte geläufig: Kritiker werden verhaftet, gefoltert, getötet; mehr als eine Million muslimischer Uiguren quält das Regime in Um­erziehungslagern; wer der Spionage ver­dächtig ist, kann auf der Stelle erschossen werden.

Für freiheitsdurstige Bürger ist China ein postmoderner Gulag: gnadenlos gegängelt von der Kommunistischen Partei.

Doch wie steht es mit der Wirtschaft? Entwickelt sie sich nicht mehr oder weniger frei zum Konkurrenten des abendländischen Kapitalismus? Ist sie nicht das Eldorado für Unternehmer – auch aus der Schweiz? Sind Hunderte Millionen chinesischer Bürger nicht längst unverzichtbare Konsumenten westlicher Produkte?

Diese pulsierende Ökonomie, der so gar nichts Kommunistisches anzuhaften scheint, erweckt den Eindruck, auf dem Weg zu einer Wirtschaftsmacht zu sein wie andere freiheitliche Mächte auch: friedlich, vernünftig, verbindlich. Doch das ist ein Trugschluss: Die chinesische Wirtschaft ist auf Gedeih und Verderb von der Kommunistischen Partei abhängig, deren Funktionäre überall im Land und in den Unternehmen ideologisch nach dem Rechten sehen.

Das Überwachungsregime gilt auch für ausländische Firmen, denen freie Marktwirtschaft vorgegaukelt wird – bis die Partei andere Prioritäten setzt.

Die KP Chinas bläst zu einem wirtschaftlichen Eroberungsfeldzug: Das wissenschaftliche und wirtschaftliche Wissen des Westens soll per Spionage, Erpressung oder Aufkauf den Fortschritt des eigenen Landes fördern. Das Riesenreich, das weder Rechtsstaat noch Rechtssicherheit kennt, hat es auf die Kreativität abgesehen, wie sie eben nur in der offenen westlichen Gesellschaft denkbar ist – und wie sie unter totalitären Verhältnissen nie gedeihen wird.

Huawei ist Teil dieses Feldzuges. Mit chinesischem Charme sollen westliche Nationen und Firmen zu Partnerschaften verführt werden. Die neuste Verlockung heisst: «Anti-Spionage-Abkommen».

Was wäre eine chinesische Unterschrift unter ein solches Abkommen wert? Ein Fingerschnippen der Parteiführung – und es wäre nichts mehr wert.

Huawei verspricht, was nicht zu halten ist, was vielleicht auch gar nicht gehalten werden soll, weil die chinesische Digitaloffen­sive ohnehin als wichtigste Waffe des Er­oberungszuges auf westliches Know-how zu betrachten ist.

Daten, Daten, Daten – das ist das Manna der Diktatur, die den Globus im Auge hat.

Wie kommt jemand dazu, der aggressiven Diktatur China und ihren wirtschaftlich getarnten Agenten mehr zu vertrauen als dem Präsidenten der Freiheits-Nation USA?

Sind wir verrückt geworden? 

Warum die Kirche den Menschen nicht politisch erziehen soll
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«frank & frei»:Warum die Kirche Menschen nicht politisch erziehen soll
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