In Florida will Nestlé pro Tag vier Millionen Liter Wasser aus einem Naturparadies pumpen. Das wertvolle Nass soll in Flaschen abgefüllt und als Trinkwasser verkauft werden. Nach Überzeugung von Umweltschützern gefährden die Pläne des Nahrungsmittel-Multis das Ökosystem.
Was geht das die Schweiz an? Nestlé ist Nestlé.
In dieser globalisierten Welt ist Nestlé nicht nur Nestlé, sondern auch die Schweiz – ein Teil der weltweiten Schweizer Reputation.
Ebenso wie Libra, die Krypto-währung von Facebook, deren Zentrale in Genf beheimatet sein soll.
Beheimatet!
Sollte Libra ein internationales Problem werden, richten sich die Augen der kritischen Weltöffentlichkeit auf die Schweiz. Die Schweiz wird auch bei Problemen des Rohstoffgiganten Glencore mit-gedacht, wie sie mitgedacht wird bei Problemen von Banken mit Schweizer Heimat.
Ja, globale Unternehmungen haben Heimat. Sie nennen es Standort. Auch die offizielle Schweiz redet von Standort. Sie betreibt Standortpolitik für möglichst viele Firmen aus aller Welt, angesiedelt in Zug und Schwyz und Genf und Zürich, wo auch immer die steuerlichen oder infrastrukturellen Bedingungen am attraktivsten sind.
Wer sich im tüchtigen und reichen Alpenland niederlässt, um seine verzweigten Geschäfte zu tätigen, wer vom Genfersee oder vom Zürichsee aus global operiert, der transportiert immer auch das Image der Schweiz. Der Konzern ist ein Teil der Schweiz. Ein leuchtender Teil, wenn er ethisch einwandfrei geschäftet, ein dunkler Teil, wenn er in dubiose Affären verwickelt wird: Reputationsgewinn oder Reputationsverlust für den Heimat-Standort Schweiz.
Ist sich die Schweizer Politik dessen bewusst? Die Konzernverantwortungs-Initiative ist aus diesem Bewusstsein heraus lanciert worden. Wer die Schweiz durch sein Tun international in Misskredit bringt, der soll in der Schweiz zur Verantwortung gezogen werden – so der politische Gehalt des Volksbegehrens.
Die Schweiz ist auch für mafiöse Schläfer ein begehrter Standort. Ein Ruheraum, in dem sie scheinbar ge-sittet leben, derweil sich ihre Clan-Mitglieder im Ausland kriminellen Tätigkeiten widmen. Zudem ist die Schweiz Heimat von Organisationen wie der Fifa, deren zwielichtige Geschäftigkeit amerikanische Staatsanwälte auf den Plan gerufen hat.
Gefragt ist Schweizer Wachsamkeit, um nicht in den Ruf der Komplizenschaft zu geraten, wie bis vor kurzem noch mit dem Bankgeheimnis.
Wachsamkeit bedarf der Instrumente. Das wohl wichtigste ist die Bundesanwaltschaft, also der Bundesanwalt, also Michael Lauber, also der Mann, der sich mit undurchsichtigem Vorgehen im Falle Fifa unmöglich gemacht hat.
Wann ist ein Bundesanwalt unmöglich? Wenn er seine Glaubwürdigkeit verspielt: das Vertrauen, sein wichtigstes Arbeitskapital.
Denn der Bundesanwalt ist nicht einfach nur ein Staatsanwalt. Er verkörpert die wachsame, die glaubwürdige, die vertrauenswürdige Schweiz.
Michael Lauber soll Schweizer Reputation garantieren. Tut er das? Er hat sich verheddert in einem Gestrüpp von Erklärungen, von Erinnerungsverlust, von Rechthaberei, von Auftrumpferei, von Politisiererei – ein Gebaren, das dem Auftrag des Bundesanwalts diametral zuwiderläuft.
Der Wächter über die Schweizer Reputation – ein Reputationsrisiko für die Schweiz.
Ein Reputationsschaden, wenn er wiedergewählt wird.