Auf Seite eins, gross und ganz oben, schlug der Zürcher «Tages-Anzeiger» am 16. Februar Alarm: «Reiche Chinesen kaufen sich den Aufenthalt in der Schweiz.» Das Blatt, sonst eher dem Sowohl-als-auch zugeneigt, mahnte: «Die Schweiz sollte nicht käuflich sein.»
Der Kauf geht so: Ein Sonderparagraf im Ausländerrecht erlaubt vermögenden Nicht-Europäern, sich in der Schweiz niederzulassen – bisher vor allem Russen und Nahost-Potentaten plus Prinzenschar, neuerdings eben auch Chinesen. Sie müssen dazu nur finanziell attraktiv sein, am besten Oligarchen.
Nationen wie Malta und Zypern betreiben einen schwunghaften Handel mit EU-Pässen für Reiche. Die Schweiz handelt mit der Aufenthaltsbewilligung.
Käufliche Schweiz?
Generationen von Geldgrössen rund um den Globus versteckten einstmals lediglich ihr Vermögen auf Nummernkonten der Schweizer Banken. Dann erzwang internationaler Druck das Ende des legalen Geschäfts mit ausländischen Steuerbetrügern. Seither kommen die Besitzer des grossen Geldes gleich selbst in die Schweiz.
Die idyllisch anmutende Alpenrepublik mutiert zur Alpenfestung erwählter Einwanderer, die Sicherheit suchen für sich und ihre Geldbeutel.
Vom Kriegs-Réduit zum Geld-Réduit.
Die Schweiz als Safe.
Medien-User bekommen diese neue Wirklichkeit wöchentlich, wenn nicht täglich vor Augen geführt: internationale Finanzskandale mit Zürich-Connection, globale Superreiche im Schweizer Alltag, gehätschelte Geldgauner in gierigen Gemeinden. Und so erscheint die neue helvetische Wirklichkeit in den Schlagzeilen der Presse:
«Bergbahnen von Milliardär Radovan Vitek betrachten die Berge als ihr Eigentum.»
«400 Mafiosi in der Schweiz aktiv.»
«Südafrikanischer Milliardär fliegt in die Schweiz zur Corona-Impfung.»
«Verhassteste Familie der USA sucht Unterschlupf in Gstaad.»
«Oligarchenpaar aus Kasachstan erhält Asyl.»
Alles legal. Keiner dieser Fälle ist ein Fall. Die Schweiz legt Wert aufs Gesetz: Es lockt reiche Einwanderer an und schreckt arme Einwanderer ab. Was wäre, würde sich ein beargwöhnter Migrant an der Grenze als willkommener Milliardär outen? Peinlich – nicht auszudenken!
Genf und Zug garantieren das geschmeidige Va-et-vient der grossen Vermögen. Nidwalden ist der fiskalisch günstigste Unternehmensstandort der Welt. Berggemeinden bieten Finanz-Flüchtlingen einen Ausguck, um das weltweite Steuergeschehen unbehelligt aus luftiger Perspektive betrachten zu können.
Mitten im Kernland der Eidgenossen, einst verschworen gegen alle fremde Macht, hoch über dem gründungsheiligen Vierwaldstättersee, thront das Luxusresort Bürgenstock. Es gehört der Erdgas-Despotie Katar.
Dies scheint das Schicksal der reichen Schweiz: Resort für Reiche und Allerreichste.
Wann wird die Rütliwiese feilgeboten?
Und die Schweizer? Die Eingeborenen? Die Menschen, die seit Generationen am Schweizer Haus bauen? Die Facharbeiter, die Patrons, die Manager, deren Tüchtigkeit das Wirtschaftswunderland Schweiz zu verdanken ist? In Zukunft Zudiener fremder Herren? Willfährige Werktätige einer Nation, die sich jedem hingibt, der mit prallvollem Portemonnaie ans Portal klopft? Wenn er überhaupt noch klopfen muss.
Nein, es ist nicht so, dass sich die Schweiz schmieren lässt. Alles, was hier käuflich ist, ist auch gesetzlich. Da müssen keine Couverts unterm Tisch den Besitzer wechseln. Gott bewahre: Wir sind nicht korrupt. Nicht Zypern, nicht Malta.
Es genügt, dass betuchte Fremde ihre Brieftasche öffnen, ihr Geld zeigen – und die Brieftasche wieder schliessen. Ist genügend drin, stehen alle Türen offen.
In der Schweiz ist Korruption gratis.