Zwei Sätze geniessen derzeit grosse öffentliche Aufmerksamkeit. Der eine geäussert in der Arena der Politik; der andere gefallen in der «Arena» des Deutschschweizer Fernsehens.
Der erste Satz, formuliert von SVP-Nationalrat Thomas Aeschi, geht so: Es dürfe nicht sein, «dass Nigerianer oder Iraker mit ukrainischen Pässen plötzlich 18-jährige Ukrainerinnen vergewaltigen».
Den zweiten Satz, der sich auf den ersten Satz bezieht, schleuderte «Arena»-Moderator Sandro Brotz seinem Gast Aeschi ins Gesicht: «Wir halten am heutigen Abend glasklar fest, dass das, was Sie gesagt haben, rassistisch war. Punkt, Ausrufezeichen.»
So weit die beiden umstrittenen Zitate.
Ist nun Aeschis Aussage rassistisch? Er nennt Nationalitäten, «Nigerianer oder Iraker», nicht aber Rassen; vielmehr zielt er auf die religiös festgeschriebene Frauenverachtung des Islam und die damit in Zusammenhang stehenden Gewalttätigkeiten gegenüber Frauen – ein Phänomen, das die muslimische Religionskultur begleitet.
Ist der Satz des Zuger Politikers verboten? Sicher nicht.
Ist der Vorwurf des Moderators Brotz unstatthaft? Er qualifiziert Aeschis Satz als: «rassistisch. Punkt, Ausrufezeichen», und schliesst damit jede Diskussion dieses willkürlichen Urteils aus.
Ist der Satz des Zürcher Moderators unstatthaft? Ganz sicher.
Was ist die Rolle des Gesprächsführers in einer Diskussionssendung? Er vernetzt seine Gäste zur Debatte, indem er sie mit der vorgegebenen Thematik konfrontiert, sie auch argumentativ lenkt, zugleich die Emotionen aufnimmt und daraus Höhepunkte einer spannenden Auseinandersetzung macht.
Ja, Moderation ist anspruchsvolles journalistisches Handwerk: intellektuelles Augenblickshandwerk.
Was damit gar nicht vereinbar ist: Rechthaberei des Journalisten, Verurteilung von Gästen. Um es sanft zu sagen: Moderator Brotz hat sich Aeschi gegenüber als Moralinstanz aufgespielt. Ein solches Verhalten aber ist, wenn man die exponierte Aufgabe des Gesprächsführers zu erfüllen hat, völlig unangebracht – anmassend gar.
Wie konnte dem einst so sympathisch bescheiden auftretenden Kollegen dieser Fauxpas unterlaufen? Es gehört zu den Berufsrisiken von Sandro Brotz, mit einer publikumsmächtigen Sendung wie eben der «Arena» zum Promi-Protz zu mutieren. Jeder Pieps findet plötzlich im Boulevard ein riesiges Echo. Die journalistische Zuwendung nährt das Gefühl, ein Zampano der Zeitgeschichte zu sein.
In dieser Rolle kann man, ja muss man es einem Unsympathen wie Thomas Aeschi doch mal so richtig geben – kraft der Autorität, über die man inzwischen verfügt, wie der Zuspruch des Publikums belegt. Zumal man als Mitarbeiter eines Gebührensenders, der einem rechten Rabauken die linken Leviten liest, allemal dem Geschmack der links-grün-urbanen Klientel entspricht. Was eignet sich dazu besser als der Vorwurf des Rassismus? Ist nicht überall Rassismus, wo SVPler sind? Sogar, wie das Beispiel Aeschi zeigt, in der eigenen Sendung?
Mit dem Handwerk des Journalisten, der Politiker und andere Sünder vor Kamera und Mikrofon zum Sprechen bringen soll, muss, will, hat das alles freilich nichts zu tun. Denn wer von jemandem etwas möchte, zumal kühne und ehrliche Worte, der muss ihm zugetan sein, um sein Vertrauen zu gewinnen.
Einem Gast gegenüber kritisch sein setzt Akzeptanz voraus – warum sonst sollte er vor die Kamera gebeten werden?
Der Moderator muss die Moderierten gernhaben, ein bisschen jedenfalls, mindestens so sehr, dass sie es merken – und das Gefühl erwidern. Dann sind die kritischen Fragen eine Freude, nicht nur für das Publikum.
Welch eine Zumutung: Sandro Brotz soll Thomas Aeschi gernhaben?
Genau. Das nächste Mal.