Wer aus der Ferne schaut, sieht manchmal mehr. Das gilt auch für die Politik. Ein Beispiel ist der Blick vom Festland auf Boris Johnson, den britischen Premierminister. In Grossbritannien inszeniert er sich als Mann der Stunde. Auf der europäischen Bühne tappt er hilflos herum.
Den Briten versprach Johnson einen raschen und beglückenden Ausstieg aus der -Europäischen Union, sei es mit oder ohne Vertrag – Freiheit für das Königreich! Nun sucht der Vorsitzende der Konservativen Partei den Ausweg aus einem Versprechen, das er nicht einlösen kann.
Boris Johnson ist kein Dummkopf. Er ist nur ein Populist, der sich in den Widersprüchen seiner dröhnenden Parolen verheddert hat. Aus der Distanz lässt sich das populistische Politisieren wie im Lehrbuch -studieren.
Jeder Populist ist beseelt von einem zentralen Ziel. In Johnsons Fall lautet es: Raus aus der EU. Alles Denken und -Reden wird dieser Wunschvorstellung untergeordnet – bis sich die Vision mit der Wirklichkeit zu decken scheint. Die wirkliche Wirklichkeit aber lässt sich weder durch Macher-Willen noch durch den Willen zur Macht bezwingen. Sie bleibt komplex. Entsprechend ist das politische Handeln für Populisten gleich kompliziert wie für alle Realpolitiker.
Was für die britische Brexit-Bredouille gilt, gilt für das Schweizer Rahmenabkommen mit der EU. Auch hier kollidiert die -populistische Verweigerung eines Vertragswerks frontal – um nicht
zu sagen brutal – mit einer komplexen und deshalb komplizierten Wirklichkeit. Auch hier tönt im eigenen Land bombastisch, was von aussen betrachtet ratlos, hilflos, sinnlos wirkt.
Die Welt des Populismus ist eine Welt als Wille und Vorstellung, die in Stellung gebracht wird gegen die wirkliche Welt. Jeder Populist – und mit ihm manchmal das eigene Land – scheitert früher oder später an der Wirklichkeit. Populisten sind Hochstapler.
In Grossbritannien wird dieses fahrlässige Spiel gerade live aufgeführt. Mitsamt seinen fatalen Folgen.
Aus der Distanz lässt sich dabei auch das Profil des populistischen Regisseurs und Hauptdarstellers präzis erkennen. Boris Johnson sieht sich als Retter in historisch dramatischer Zeit – als wiederauferstandener Churchill. Über diese britische, ja weltgeschichtliche Jahrhundertfigur hat Johnson eine spannend zu lesende Biografie verfasst. Das Werk ist auch sein Selbstporträt: Genau wie Churchill Nazideutschland besiegte, will Johnson die Europäische Union in die Knie zwingen.
Die EU als Bedrohung wie einst das Naziregime? Ist Johnson noch bei Trost?
Auch Christoph Blocher inszeniert sich als heroischer Retter vor der Europäischen Union – als Churchill der Eidgenossen. Er bewundert sein historisches Vorbild, er spiegelt und sieht sich in ihm. In einer Rede über den britischen Kriegspremier liess er der Identifikation mit seinem Idol freien Lauf. Die Genfer Zeitung «Le Temps» schrieb: «Christoph Blocher hält sich für Churchill.»
Populistenführer lieben den monumentalen Auftritt, die Selbstermächtigung, den masslosen Anspruch, einzig und allein im Namen des Volkes zu handeln: Ich – und das Volk!
Wenn sie regieren müssen, scheitern sie.
Boris Johnson führt auch dies gerade vor. Die Wirklichkeit der ganz gewöhnlichen demokratischen Welt verweigert sich dem verzweifelten Vereinfacher.
Sein Schweizer Pendant hat das Scheitern bereits hinter sich: In vier Jahren als Bundesrat vollbrachte er nichts, an das sich noch jemand erinnern könnte, und verlor sein Amt.
Der Erlöser erlöst – durch die Wirklichkeit.
Boris Johnson darf hoffen.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.