Frank A. Meyer – die Kolumne
Manna für alle

Publiziert: 31.03.2024 um 00:48 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2024 um 09:31 Uhr
Foto: Antje Berghaeuser
Frank A. Meyer

Die reformierte und die katholische Kirche des Kantons Zürich wollen sich ihrer orthodoxen sowie islamischen Brüder erbarmen – natürlich inklusive Schwestern. Je eine Million pro Jahr soll den beiden staatlich nicht anerkannten Glaubensgemeinschaften zukommen. Das Almosen stammt aus Steuermitteln: Die grosszügige Klerisei entnimmt ihre Spende der Zürcher Staatskasse, die kirchliche Wohltätigkeit jährlich mit 50 Millionen Franken subventioniert.

Ist es nicht himmlisch, wenn man in harten Zeiten für kirchliches Tun so üppig alimentiert wird? Und weshalb sollten Orthodoxie und Islam nicht ebenfalls vom staatlich-kirchlichen Manna profitieren?

Weil es gute Gründe gibt für die Sonderstellung von Protestantismus und Katholizismus in der Schweiz. Die beiden weströmischen Glaubensströmungen haben den Weg zur aufgeklärten Gesellschaft mitgemacht und die Trennung geistlicher Macht von weltlicher Macht praktisch-politisch nachvollzogen.

Reformierte Kirche und katholische Kirche sind die religiösen Institutionen des säkularen Staates.

Deshalb wäre die geplante Millionenzuwendung an Zürcher Muslime und Orthodoxe nicht einfach eine Zuwendung an andere Gläubige, die man beim Geldverteilen irrtümlich übergangen hat.

Es ist nicht Hans was Heiri.

Gerade im Verhältnis von geistlicher und weltlicher Gewalt unterscheidet sich die oströmisch geprägte Kirche grundsätzlich vom weströmisch-christlichen Aufklärungsdenken: Das orthodoxe Bekenntnis kennt die Gewaltenteilung nicht.

Der Islam wiederum weicht radikal vom modernen Religionsdenken im demokratischen Rechtsstaat ab – er ist die Antithese dazu. Er ist nicht allein auf religiöse Herrschaft ausgerichtet, sondern explizit auf politische, zudem auf die gottgewollte Dominanz der Männer, auf Verachtung der Frauen und Unterdrückung der Homosexuellen. Sein mittelalterliches Rechtssystem der Scharia erhebt den Anspruch, über jeder anderen Rechtsform zu stehen.

Der Islam ist die Gegenreligion zum freiheitlichen Christentum. Jegliche Emanzipation und Befreiung des Gläubigen aus dieser Welt autoritärster Regeln bedeutet Abfall vom wahren Glauben – den Sündenfall. 

Dennoch darf der Islam in unserer Demokratie predigen und wirken, denn die aufgeklärte offene Gesellschaft folgt dem Prinzip von Versuch und Irrtum: der Vorstellung, dass jede Wahrheit auf ihre Widerlegbarkeit überprüft werden darf, soll, muss – kritisch gegenüber sich selbst. 

In unserer freien Welt sind auch fremde Glaubensbekenntnisse und Glaubenskulturen tätig. Das drastischste Beispiel ist der Islam, ein weniger drastisches die christlich-orthodoxe Kirche. 

Doch bei aller Offenheit der freien Gesellschaft, bei aller Selbstkritik, bei aller Prüfung des eigenen Standpunkts, bei aller Bereitschaft zur Korrektur von Fehlleistungen: die Demokratie selbst und ihre Sicherung durch den Rechtsstaat sind unantastbar. 

Ohne Werkstatt der Freiheit kein Werk der Freiheit!

Demokratie und Rechtsstaat sichern auch die ganz persönliche Freiheit des Bürgers, zu der die Glaubensfreiheit zählt: Orthodoxe Christen und Muslime sind Bürger wie du und ich – mit gleichen Rechten und gleichen Pflichten. 

Eine dieser Pflichten ist – entgegen der islamischen Lehre – die Gleichberechtigung der Frau, die Unantastbarkeit ihrer Würde, ihrer Gleichheit auch in der Familie. Würde und Gleichheit stehen ebenso dem homosexuellen Muslim zu. Die Scharia hat sich dem Rechtskanon der freien Gesellschaft zu beugen. Ohne jede Ausnahme. 

Und nun sollen Gelder, die der Staat den Protestanten und Katholiken für freiheitlich-christliche Aktivitäten überlässt, abgezweigt werden für historisch verspätete Glaubensmächte? 

Noch sind Millionen Protestanten und Katholiken dem Wirken ihrer Kirchen in Treue verbunden.

Das geplante Abzweigen von Staatsgeld wäre Untreue. 

Veruntreuung.

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