Claude Longchamp, als Politologe der linksbürgerlichen Geistlichkeit zuzurechnen, erteilte dem Land seinen Segen: «Die Schweiz hat in den letzten 25 Jahren eine richtig gute Debattenkultur entwickelt.»
Kann man in Zeiten des Wahlkampfs mehr verlangen? Zwar bemäkelt der einstige TV-Demoskop im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» dies und jenes am «vorherrschenden Diskurs», wie er sich akademisch-gewählt auszudrücken pflegt. Doch gerade das Für und Wider gehört ja zur Demokratie – und selbstverständlich auch zum Geschäft eines Politologen.
Was tun Politologen eigentlich? Sie sehen, was die Bürger sehen, und erklären den Bürgern dann, was diese sehen.
Was aber sehen die Bürger?
Sie sehen eine unaufgeregte Schweiz, also eine eher schwierige Schweiz für spannende Entscheidungen, wie Wahlen sie eigentlich erfordern. Vor allem die Medien, die doch von Aufregung leben, sehen eine für sie nur leidlich ergiebige Schweiz, weshalb sie in Ermangelung des Wahlfiebers so dankbar sind für die Jugend der Sozialdemokratie, die sich unter dem Kürzel Juso mittlerweile dieser ebenso alten wie ehrwürdigen Partei bemächtigt hat.
Ja, bei den Genossen ist noch was los: Jung gegen Älter, wobei «älter» schon als zu alt gilt, jedenfalls für die frei gewordene sozialdemokratische Position im Bundesrat.
Die SPS-Ministranten werben deshalb für einen der ihren, beispielsweise für Cédric Wermuth, der mit seinem Bart signalisiert, dass nun auch er zu denen mit Bart gehört – der Adoleszenz entronnen.
Also bloss kein Erwachsener! Es würde den Zeitgeist beleidigen. Der Philosoph Odo Marquard formulierte dazu Erhellendes: «Aus der modernen Überaufwertung des Kindseins und Jungseins – ermuntert durch die Deutung des Fortschritts als Verfall – folgt schliesslich, dass unter Beifall der Erwachsenen die Jugend den Aufstand probt: als Widerstandsbewegung gegen das Erwachsenwerden.»
Das wäre dann die Formel für die «letzte Generation» – auch die der Genossen.
So herrscht durch die Frage der Berset-Nachfolge in diesem Wahlkampf doch noch leicht erhöhte Temperatur: Werden Links und Grün – gemäss Pater Longchamp «inhaltlich praktisch deckungsgleich» – im Parlament stark genug, um die linksgrüne Hegemonie vom Hörsaal in den Ratssaal zu tragen und damit die politische Kultur der Schweiz zu prägen?
Es wäre nicht das Ende der Gemütlichkeit. Es wäre nur der Beginn weiterer linksgrüner Karrieren, die schliesslich neue Gemütlichkeit garantieren – wer angekommen ist, will nicht aufbrechen.
Wenn aber ein Erwachsener gewählt wird, beispiels- weise Beat Jans oder gar Daniel Jositsch? Dann wäre alles – wie schon immer.
Wie die Schweiz.