Mit akademischer Akribie wird Zürichs Zukunft ausgetüftelt, von neun ETH-Lehrkräften, gendergerecht auch Professor*innen genannt. Sie planen, das ohnehin linksgrüne Zürich in eine wahrhaft linksgrüne, weil autobefreite Stadt zu verwandeln: «Wir wollen vor allem das Bild der Velostadt in den Köpfen der Leute festsetzen.»
Im Ton eines Politbüros verordnen sie, was die Zürcher Bürgerschaft künftig zu denken hat. Velofahren ist gut, Autofahren ist böse, wobei das allerdings gar nicht eigens betont werden muss, sprechen doch die Pläne der Professor*innenschaft für sich: Velostrassen, baumbestandene Alleen, Fussgängerwege, dazwischen Einbahnstrassen, Einbahnstrassen, Einbahnstrassen …
Wohin führen sie, all diese Einbahnstrassen? Durch den Park und in den Park, der heute noch Stadt heisst – das autoverdorbene Zürich, wie wir es kennen und lieben. Darf man das geplante Gebilde auch einen linksgrünen Schrebergarten nennen?
Der Studienleiter des Projekts «E-Bike-City» erklärt frohgemut vorab, was er von Kritik an seiner Anti-Auto-Aktion hält: «Wir sind jetzt bereit, uns beschimpfen zu lassen.» So einfach ist das: Wenn Bürger gegen professorale Pläne aufbegehren, ist das nichts als Schimpf.
In Basel-Stadt verwarfen die Stimmbürger eben gerade eine «Gute-Luft-Initiative», die 240'000 Quadratmeter Strassenfläche in Grünfläche umwandeln wollte. Schimpfende Bürger wehren sich, schimpflich gestimmt, fürs Auto.
Wo die Umweltreligion in die Politik gefahren ist, braucht es einen Teufel: das Auto. Ist das nervend laute und übel riechende Gefährt erst mal weg, wandelt und radelt die Menschheit auf paradiesischen Umweltpfaden.
In diesen Tagen herrscht das richtige Wetter für solcherlei Glaubensbotschaften aus den heiligen Hallen der ETH: Es nieselt oder schneit, die Strasse ist nass, gefroren gar, eisige Windstösse sausen um die Häuserecken – wer würde sich da nicht animiert fühlen, beschwingt aufs Zweirad zu steigen, um mit den Kindern vorn in der Lastenkiste zur Schule zu fahren?
Welch fröhliches Gespann – und welche Erquickung für die professoralen Schöpfer der schönen neuen Stadt-Welt!
Was hat es eigentlich auf sich mit dem Auto, von dem gewöhnliche Zeitgenossen einfach nicht lassen mögen? Ist es Ausdruck von Verirrung in einer betrüblichen, weil zerstörerischen Phase der Menschheitsgeschichte – auch Kapitalismus genannt und seit Marx im Ruf stehend, das Böse an sich zu sein? Oder ist der verflixte vierrädrige Fossil-Flitzer, der überall herumrast oder herumsteht, vielleicht mehr?
Was ist mehr als das Auto?
Das Auto ist mehr als das Auto!
Es ist Freiheit! Weil Mittel der Fortbewegung, wann immer ich will, wohin ich will. Ja, das Auto ist, was sein Name sagt: das Selbst.
Das Ich.
Damit steht es für die freie Gesellschaft, eine Welt, in der nicht nur die Gedanken schweifen dürfen, wie sie wollen, sondern auch der Mensch geschwind und geschützt im Auto Stadt und Land und Welt ansteuern darf – ob aus schierer Lust oder Alltagspflichten gehorchend.
Wer vor allem nutzt das professoral verpönte Auto auf solch exzessive Weise? Zum Beispiel der Werktätige, dem die öffentlichen Verkehrsmittel zu umständlich sind, der womöglich weder Tram noch Bus noch S-Bahn in der Nähe hat, aber rasch zur Arbeit muss und nach Feierabend kurz zum Einkaufen oder mit seiner Gattin den Abend im Konzert oder im Kino verbringen möchte – und das von einer erschwinglichen Dreizimmerwohnung aus, also weitab der City.
Freilich: Die autofeindliche Grünstadt ist auch nicht für das gewöhnliche Volk gedacht. Sie soll Gartenlaube sein für die Grünen und ihre Genossen. Man wohnt zentral, weil wohlsituiert, sei es als Professor oder als Pfarrer oder als Beamter oder sonst wie als Nutzniesser öffentlicher Pfründe, von Kultur und Politik über NGOs bis zu den Medien.
Eine neue Aristokratie wächst da heran – und macht sich an die Gestaltung der Gesellschaft in ihrem Sinne, getragen von der elitären Einstellung, zu wissen, was dem Bürger frommt – und, vor allem, was nicht. Der Kampf ums Auto:
Klassenkampf.