Nach seiner Abwahl 2007 verzichtete der Milliardär auf die Rente, die ihm als gewesenem Bundesrat zustand: «Erstens habe ich genug Geld, und zweitens will ich unabhängig bleiben.»
Jetzt will er die Rente doch, und zwar 2,7 Millionen Franken für die gesamte Dauer seines bisherigen Pensionisten-Daseins: «Diese Rente steht mir zu. Mit 80 Jahren sollte man Leistungen, die einem zustehen, beziehen.»
Mehr als zwölf Jahre lang protzig präsentierte Bescheidenheit und Prinzipientreue – schliesslich die Gier nach dem Staatsgeld.
Und zweimal Profit aus dem herausposaunten Verzicht – erst politisches Prestige, dann die Penunze mit Zins und Zinseszins.
Er ist, wer er ist: in seiner harmlosen Erscheinungsform das Kind, das immer recht hat; in der weniger harmlosen Form der zynische Rechthaber, dem das eigene Wort nichts gilt, wenns seinen Interessen dient, wie im vorliegenden Fall – Millionen zu den Milliarden.
Schon erklingt aus dem Familienkreis das Lied vom bösen Staat, der die Kohle gefälligst herausrücken soll: «Mein Vater will das Geld, weil Links-Grün es sonst zum Fenster hinauswirft.»
Während aus der familieneigenen Partei weiterhin der Ruf nach Abschaffung der Bundesratsrente erschallt: «Auch ein Bundesrat kann stempeln gehen.»
Warum haben Bundesräte überhaupt ein Jahresgehalt von 455'000 Franken? Und wozu nach vier Jahren Anspruch auf eine Rente von 220'000?
Dafür gibt es gute Gründe. Politische Gründe. Demokratische Gründe.
Bundesräte sollen unabhängig sein von pekuniären Versuchungen jenseits ihres hohen Amtes. Magistraten sollen sie sein – ausgestattet mit der Würde politischer Macht, die sich nirgendwo anbiedern muss. Es soll sich buchstäblich lohnen, Bundesrat zu werden, Bundesrat zu sein, Bundesrat gewesen zu sein.
Die Bundesräte bilden den republikanischen Adel der Schweiz. In ihrer Amtszeit sind sie gesellschaftlich herausgehoben wie niemand sonst im Land. Das verleiht ihrem Wirken Glanz. Dieser Aura müssen sie auch persönlich genügen. Wenn einer das partout nicht kann, weil er, beispielsweise, durch seine Milliarden behindert ist, dann muss er gehen.
Auch die Rente dient republikanischer Freiheit und demokratischer Verantwortung: Kein Bundesrat soll in seiner Amtszeit in Sorge sein um Verdienstmöglichkeiten nach dem Ende dieser Tätigkeit. Bis zum letzten Tag hat seine Aufmerksamkeit ausschliesslich dem Amt zu gelten.
Freilich müssen sich jüngere Bundesräte nach dem Ausscheiden aus der Regierung nicht damit begnügen, auf dem Balkon Kräuter zu ziehen oder im Garten Rosen zu schneiden. Doch ist ihr Altersgehalt – so darf man die Rente nennen – eine moralische Verpflichtung, jede allfällige Verlockung aus der Wirtschaft darauf zu prüfen, ob sie sich mit der Kultur eines alt Bundesrates verträgt.
Eigentlich hat das bisher ganz gut geklappt: Die Rentiers des Siebner-Kollegiums sind nicht aufgefallen als geldgierige Grossverdiener. Sie betätigen sich eher in gemeinnützigen Institutionen, oder sie folgen der traditionellen Tugend: «Servir et disparaître» – dienen und sich zurückziehen.
Dem unreifen Charakter aber sind solche Qualitäten nicht eigen. Kinder wollen täglich Bescherung, täglich Kindergeburtstag, täglich Rabatz, täglich Heldentaten mit dem Holzschwert. Oder als General in einem Schweizer «Bürgerkrieg», wie ihn unser rastloser Rentner gerade wieder all jenen erklärt, die in Sachen EU immer noch nicht seiner Meinung sind – die Kriegskasse mit 2,7 Millionen Franken gut gefüllt.
Am liebsten ist ihm das friedlichste Land der Welt gespalten in Freund und Feind – ganz wie Carl Schmitt, totalitärer Staatsdenker der Dreissigerjahre, die Politik definierte. Aber wer möchte schon so viel Böses vermuten? Als Erklärung für derlei Fantasien reicht auch ein kindlicher Horizont, präziser: ein kindischer Horizont. Das ist sein Schicksal.
Und der Schweiz Mühsal.