Die Schweizer Sozialdemokraten sind ganz begeistert vom Uno-Migrationspakt. Gar nicht begeistert sind sie von der Tatsache, dass sich Freisinn und Christdemokraten für den Uno-Hirtenbrief zur Einwanderung überhaupt nicht begeistern können.
Also greifen die Schweizer Sozialdemokraten zu ihrer liebsten und gröbsten Keule, um FDP und CVP Mores zu lehren: Die zwei Parteien sollen sich gefälligst «aus der Geiselhaft der SVP» lösen.
SPS-Nationalrat Cédric Wermuth sagt auch, wie grässlich sich die Geiselhaft der beiden bürgerlichen Parteien auf die Befindlichkeit der Bevölkerung auswirkt: «Mit ihrer Haltung helfen FDP und CVP mit, das trumpsche Narrativ von FPÖ, Front National oder AfD in der Schweiz salonfähig zu machen.»
Das trumpsche Narrativ? Donnerwetter!
Wer aber ist nun Geisel der SVP? Die FDP? Die CVP? Oder womöglich die SPS selbst? Leider trifft Letzteres zu: Keine andere Partei ist derart fixiert auf die rechten Populisten. Wann immer den Genossen argumentativ nichts einfällt, fällt ihnen die SVP ein. Unverwandt schielen sie in die rechte Ecke. Was dort geschieht, weist den Weg ins Verderben. Also ist, was die SVP sagt, immer falsch.
Würde die Schweizerische Volkspartei sagen: Zwei und zwei gleich vier – die Rechnung könnte für die Sozialdemokraten auf keinen Fall stimmen.
Kein Jahr ist es her, da lieferten die sozialdemokratischen Frauen ihr Gesellinnenstück in dieser verqueren Politik: Sie seien zwar eigentlich für ein Verbot der Burka; da aber die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» von der SVP stamme, komme eine Zustimmung nicht infrage, denn was den rechtspopulistischen Stempel trage, diene «rassistischen Anliegen».
So einfach war das im Frühjahr. Jedenfalls schien es so einfach, wurde dann aber höchst heikel, als plötzlich ein rabiat rechter SVP-Nationalrat gegen das Burkaverbot auf den Plan trat. Da standen die feministisch sensiblen Genossinnen vor dem dramatischen Dilemma: Muss die SPS gegen das Verhüllungsverbot sein, weil die Initiative der SVP entstammt? Hinwiederum: Darf sie dagegen sein, obwohl sich auch ein Grosspolitiker der SVP als Gegner geoutet hat?
Gegen, weil SVP für? Für, weil SVP gegen?
Das ausweglos scheinende Zwangssyndrom ist in der Psychoanalyse bekannt unter dem Begriff «negative Abhängigkeit». Die Schweizer Sozialdemokraten starren derart gebannt auf die Schweizerische Volkspartei, dass sich die Frage aufdrängt: warum nur? Geht es ausschliesslich um ideologische Feindschaft? Oder sitzt der Trieb der guten alten Arbeiterpartei, sich unentwegt an der bösen, jungen Populistenpartei zu orientieren, tiefer – tief in der gekränkten Seele der linken Volkspartei?
Denn beide sind sie ja Volksparteien, die SPS und die SVP. Mit einem Unterschied allerdings: Das Volk, das einst sozialdemokratisches Wahlvolk war, wählt heute weitgehend rechtspopulistisch – nicht nur in der Schweiz, sondern überall in Europa.
Das Starren auf die äussere Rechte wäre dann das Starren auf sich selbst: auf die abhandengekommene Wählerschaft, für die man einst politische Probleme benannt und bearbeitet, oft sogar gelöst hat. Im vorliegenden Fall wären es Probleme, die sich aus Einwanderung und Völkerwanderung für jene einfachen Bürgerinnen und Bürger ergeben, bei denen die Migranten anzukommen pflegen: in ihren Quartieren, in ihren Wohnhäusern, in ihren Schulen, in ihrer ganz alltäglichen Lebenswelt.
Was sollen die Menschen aus dem Volk anfangen mit dem «trumpschen Narrativ» der neuen linken Wichtigtuer?