Das Schweizer Onlinemagazin «Republik» hat mit anderen europäischen Medien die Arbeitskultur des Smartphone- und Netztechnik-Herstellers Huawei unter die Lupe genommen. Die Rechercheure kamen zum Schluss, der chinesische Konzern kujoniere seine Belegschaft im Übermass.
Schon die Sprache sei kriegerisch. Vorgesetzte verwendeten mit Vorliebe militärische Metaphern: Begriffe wie «Schlacht», «Front», «Elitetruppe» oder «Lärm der Artillerie» gehörten zur Unternehmenskommunikation, drakonische Vorschriften regelten selbst das Privatleben der Mitarbeiter. Von Chinesen, die bei Huawei in Europa mehr verdienten als in der Heimat, werde nach der Rückkehr die Differenz eingefordert, in einem konkret belegten Fall 60'000 Franken.
Auweia: Huawei, ein Unternehmen Chinas!
Bisher galt in der Schweiz die Sprachregelung, der Digital-Gigant, der seinen hiesigen Hauptsitz in Liebefeld bei Bern aufgeschlagen hat und Telekommunikationsunternehmen wie Swisscom, Sunrise und Salt mit Netzwerkkomponenten beliefert, sei als strikt privatwirtschaftliches Unternehmen zu betrachten. Er habe also nichts, aber auch gar nichts mit den politischen Verhältnissen im Reich der Mitte zu tun und sei daher ein idealer Partner für europäische Nationen und Konzerne, die den Mobilfunkstandard 5G anstrebten.
Wer’s glaubte, suhlte selig in den technischen Segnungen von Huawei. Die USA glaubten es nicht, setzten den Konkurrenten auf eine Boykottliste für notwendige Komponenten seiner Produktion und machten politischen Druck auf die Europäer.
Die Recherche der «Republik» gibt den Amerikanern recht: Huawei ist ein ganz und gar chinesischer Konzern, eingebunden in die kommunistische Machtstruktur und ihr Disziplinierungssystem: Bürgerinnen und Bürger Chinas, insbesondere Arbeitnehmer sind Willen und Werten der Machthaber unterworfen – auch im Ausland.
Wo immer ein chinesischer Student, ein chinesischer Techniker, ein chinesischer Forscher tätig ist – er steht im Dienste des chinesischen Regimes, ob er will oder nicht.
Universitäten und Unternehmen rund um die Welt machen diese Erfahrung seit Jahren. Sie sind konfrontiert mit den drei K der Entwicklungsstrategie Chinas: Kopieren, Kaufen, Klauen.
Das vierte K ist das entscheidende: Kommunismus. Die KP Chinas bestimmt Wohl und Wehe aller Chinesen und alles Chinesischen. Wer aufmuckt, wird abserviert, seien es kulturell eigenständige Uiguren, seien es kritisch-weltoffene Ärzte und Wissenschaftler im Corona-Ursprungsgebiet Wuhan, seien es freiheitsliebende Studenten in Hongkong: Lager oder Gefängnis ist ihnen sicher.
Von Peking aus wird die Diktatur gesteuert, die das Milliardenvolk digital überwacht: Wer sich wohl verhält, wird mit Punkten belohnt, die Vorteile im Leben bedeuten, wer sich in den Augen der Genossen schlecht benimmt, wird mit Punktabzug bestraft, was den Verlust oder die Verweigerung von Vorteilen mit sich bringt.
Über allem thront Xi Jinping, der Führer, dessen Werke an Universitäten studiert werden, eine Mischung aus wiedergeborenem Mao Zedong und Digital-Stalin – für Menschen, die frei sein möchten, eine stets unbeweglich-selbstbewusst lächelnde Bedrohung.
Wer einen Witz über Xi erzählt, wird abgeholt.
Was hat all das mit der Schweiz zu tun? Die Eidgenossenschaft, die sich darauf beruft, dass ihr mythischer Urahn Tell den Gesslerhut nicht grüsste, hat sich tief mit China eingelassen: mit dessen kapitalistischer Seite, was ja die Besonderheit dieses fernöstlichen Kommunismus darstellt – für die profitgetriebene Schweiz des 21. Jahrhunderts ein offenbar unwiderstehlicher Zauber, der 2014 zu einem Freihandelsabkommen führte.
Ja, man geschäftet gern und tüchtig mit den geschäftstüchtigen Asiaten – und murmelt Vorbehalte gegenüber deren totalitärer Staatsräson gerade mal so leise, dass ihr Machthaber sie mühelos als Pflichtübung durchschaut. Chinesische Sicherheitsbeamte durften in der Schweiz offiziell nach Bürgern aus ihrem Land schnüffeln – auf Kosten der Schweizer Steuerzahler.
In der deutschen Wirtschaftszeitung «Handelsblatt» eröffnete ETH-Professorin Renate Schubert der politischen Öffentlichkeit unter dem Titel «USA versus China – und wo steht die Schweiz?», welcher Goldtopf am Ende des chinapolitischen Regenbogens für die Eidgenossenschaft zu holen ist: «So könnte der Grosskonflikt zwischen USA und China sogar durchaus gut zum helvetischen ‹Geschäftsmodell› passen.»
Was gesagt sein muss, muss gesagt sein.
Auch zu Huawei, diesem von Chinas Machthabern so überaus unabhängigen privatwirtschaftlichen, also in jeder Hinsicht schweizkompatiblen Unternehmen, muss noch etwas gesagt sein, in Form einer kurzen, aber brennend aktuellen Geschichte: Ihre Hauptfigur ist Jack Ma, Gründer und langjähriger Chef der Alibaba Group, Weltfigur des Internets, Multimilliardär, einer der reichsten Männer Chinas, mächtig und deshalb unabhängig, wie man meinen sollte. Ma hat das offenbar ebenfalls gemeint und differenzierte Skepsis gegenüber den wirtschaftspolitischen Regularien der kommunistischen Machthaber zum Ausdruck gebracht.
Seitdem ist er verschwunden.
Wenn Xi Jinping mit dem Finger schnippt – huaweia!