Was für ein stolzer Titel, den der «Tages-Anzeiger» da gefunden hat: «Schweiz entscheidet über Krieg und Frieden». Das Zürcher Blatt verkündet der Welt ein segensreiches Jahr, denn was sonst könnte dabei herauskommen, wenn die Schweiz derlei epochale Beschlüsse zu fällen hat?
Auch für die Eidgenossenschaft selbst sehen die kommenden zwölf Monate formidabel aus, wie der Blick per Schlagzeile zu melden weiss: «Die Welt schwächelt, die Schweiz zeigt Stärke.» Ein Konjunkturexperte hat das herausgefunden. Umso besser, dass das Alpenland zu den Weltentscheidern im Sicherheitsrat der Uno zählt.
Leider, leider, leider liefert die «Neue Zürcher Zeitung» eine doch eher betrübliche Überschrift zur Lage der Nation: «Schweiz gerät wegen russischer Gelder unter Druck». In die politische Alltagssprache übersetzt heisst das: Die neutrale Schweiz hat die Folgen dafür zu tragen, dass sie den USA und der EU die geforderte Solidarität bei der Beschlagnahme von Oligarchenvermögen verweigert, aus denen der Wiederaufbau der zerschossenen Ukraine finanziert werden soll.
Was nun? Was tun?
Was der Finanzmacht im Herzen Europas Probleme bereitet, ist immer wieder das Gleiche: schmutziges Geld, kriminelles Geld, kurzum Geld, Geld, Geld. Daraus leitet die westliche Welt von Washington über Paris bis Berlin – neuerdings bis Kiew – das Schlüsselwort zur helvetischen Republik ab:
Gier!
Der Begriff steht für die unanständige Schweiz. Zwar möchte man die anständige Schweiz doch so gerne umarmen – aber irgendwie riecht ihr Atem unangenehm. Dabei pflegt die Demokratie aller Demokratien mit frischer Bergluft zu locken, die, wie der «Tages-Anzeiger» in einer weiteren Schlagzeile festhält, den Milliardären so sehr zusagt: «Die Spur der russischen Ölbarone führt nach St. Moritz».
Sogar auf der schönsten Hochebene der Welt müffelt es also inzwischen nach Oligarchen.
Wie wärs, der Bundesrat würde vom heimeligen Bern aus die konfliktgeschüttelte Welt im zweiten ukrainischen Kriegsjahr mit dem Satz beglücken: «Bei Massnahmen gegen die russischen Oligarchen könnt ihr mit uns rechnen!»
Das setzt allerdings voraus, dass man wählt zwischen der Welt einerseits und St. Moritz andererseits, zu dem sich natürlich, um die Sache vollends deutlich zu machen, weitere schlecht beleumundete Orte gesellen, Genf etwa oder Lugano oder Schwyz oder Zug.
Man müsste sich dazu lediglich auf folgende Formel einigen: Die Schweiz ist die Schweiz ist die Schweiz – und nicht irgendein Kaff, das die Reputation dieses grossartigen Landes ramponiert, indem es sich systematisch zur Komplizenschaft mit globalen Geldgaunern hergibt.
Selbstverständlich hiesse das auch, eine Branche auszulichten: Treuhänder, Anwaltskanzleien, Winkelbanker, also das Unterholz all der Gierlinge, die in der Eidgenossenschaft nichts anderes sehen als ihr Geschäftsmodell.
Übrigens beschwören Diplomaten, gerade im Hinblick auf die geforderte Konfiskation von Oligarchenvermögen zugunsten der geschändeten Ukraine, mit sorgenvoller Miene den Schweizer Rechtsstaat: Der sei «ein hohes Gut» – und damit eine hohe Hürde für die international geforderte Solidarität.
Ists zum Lachen oder zum Weinen? Oligarchen, die in ihrer Heimat den Rechtsstaat bekämpfen, suchen das schützende Recht des Rechtsstaates Schweiz. Denn darum sind sie ja hier bei uns – im Paradies eben jener Freiheit, die ihnen in Russland ein Gräuel wäre.
Die Schweiz bricht auf in die grosse Welt. Und bringt dazu die besten Voraussetzungen mit. Sie ist geübt in der Pflege politischer Kultur. Man wird auf sie hören, sogar im Sicherheitsrat der Uno. Jetzt muss sie nur noch entscheiden, mit welchen Gästen sie in Zukunft zu Hause am Tisch sitzen will.
Weiterhin Gastgeber für Oligarchen spielen? Geht gar nicht.