Michael Lauber ist also befangen. Der Bundesanwalt muss in Strafverfahren, die sich um den Weltfussballverband Fifa drehen, in den Ausstand treten. Das hat das Bundesstrafgericht in Bellinzona am Dienstag festgestellt.
Grund sind informelle Treffen Laubers mit Fifa-Präsident Gianni Infantino, von denen keine Gesprächsprotokolle existieren. Eines dieser Dates hat der oberste Staatsanwalt der Schweiz, wie er versichert, sogar komplett vergessen. Auch drei weitere Teilnehmer an der Gesprächsrunde können sich partout an nichts mehr erinnern.
Wie ist das möglich?
Was wurde da beratschlagt? Harmlose Verfahrensfragen? Wie man den Fall der Fifa in ruhigeres Fahrwasser lenken könnte? Gings vielleicht, bei bester Küche und prima Wein, allzu heiter her? Ist das kollektive Vergessen eine Folge freundschaftlicher, ja ausgelassener Stimmung?
Fragen über Fragen, Rätsel über Rätsel.
Man greift sich an den Kopf, wie es die Vertreter internationaler Medien inzwischen tun: So etwas in der piekfeinsauberen Schweiz? Hat es gar System?
Die Pannen der Bundesanwaltschaft unter Michael Lauber müssen nicht alle aufgezählt werden. Die Liste ist lang und peinlich. Die Intimtreffen mit Infantino genügen, um zum Schluss zu kommen:
Jetzt reichts!
Wird das Parlament endlich einen Schlussstrich ziehen, wenn es im Herbst über Laubers Wiederwahl entscheidet?
Sicher ist das nicht. Denn Michael 0Laubers Wahl ist kein Irrtum, ganz im Gegenteil. Genau so einen suchte man, als er 2012 gewählt wurde: einen gefälligen Bundesanwaltsdarsteller, der sich gefälligst nicht in die Robe des gestrengen Strafverfolgers wirft oder gar die trüben Gewässer des Geldsumpfes aufrührt. Ja, der Bundesanwalt sollte eine gewisse Souplesse im Umgang mit der Seelenlage unserer sensiblen Geschäftsnation garantieren.
Dafür gibt es durchaus Gründe. Immerhin leben in der Schweiz – hinter den USA, China und Japan – mit rund 500'000 die meisten Millionäre. Die Schweiz, der Welt-Winzling, ist eine Schatzkammer für Geld und Gold, ein Paradies für globale Geschäftemacher, ein Resort für Superreiche.
Das soll uns niemand kaputt machen. Schon gar nicht ein Bundesanwalt mit allzu viel Scharfblick für das Gesindel, das sich unwiderstehlich angezogen fühlt von der ebenso tüchtigen wie geldsüchtigen Nation. Selbstverständlich ist die überwiegende Mehrheit der Millionarios hierzulande überaus ordentlich und gesittet – die eigenen wie die fremden.
Doch die Schweiz muss mit dem Risiko unermesslichen Reichtums leben. Sie hat dabei ihre Reputation zu wahren in einer Zeit, in der Kriminalität als grenzüberschreitendes Verwirrspiel betrieben wird.
Dazu sind – wären – Strafverfolger vonnöten, die globalen Anforderungen genügen, mithin den kantonalen Provinzialismus sprengen, also ausgebuffte Profis, die höchste Standards westlicher Rechtsstaaten erfüllen und über das weltbeste Instrumentarium für ihr zugriffiges Handwerk verfügen.
Vor allem keine Staatsanwälte, die so tun als ob!
2012 wurde mit Michael Lauber ein oberster Strafverfolger ins Amt gehoben, der von 2004 bis 2010 Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbandes war.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Finanzlobbyist in Liechtenstein, einer berüchtigten Steuerfluchtburg – und das zu einer Zeit, als das Bankgeheimnis noch Geschäftsmodell war!
Natürlich ist Laubers früherer Job rückblickend als durchaus ehrenwert zu betrachten, wie ja das Plündern der Staatskassen befreundeter Nationen mithilfe des Bankgeheimnisses damals ebenfalls als überaus ehrenwert galt. Aber war dies die richtige Vorbereitung auf den Beruf eines Bundesanwalts? Nach den Normen eines hellwachen Rechtsstaates wohl eher nicht.
Doch gerade darum ging es in jenen Jahren: Bloss nicht erwachen!
Im Herbst geht es ums Gegenteil: Endlich erwachen!