Frank A. Meyer – die Kolumne
Die Wahrheit des Virus

Publiziert: 19.04.2020 um 07:21 Uhr
|
Aktualisiert: 19.04.2020 um 11:24 Uhr
Frank A. Meyer

Ein hochgebildeter Herr, stets be­müht um eine bessere Welt, Schweizer überdies und als Gastgeber prominent in ­Davos zugange, mithin ein Urbild des ­alten weisen Mannes, unterzog sich dem Bemühen, zu Corona Bedeut­sames zu formulieren. Dabei kam folgender Satz heraus: «Wir ­müssen das als Warnschuss der Natur verstehen.»

Die Natur warnt uns also durch ­Corona. Mehr noch, sie mahnt uns. Das Zeichen an der Wand.

Corona als Menetekel!

Doch wozu die Ermahnung? Zur ­Einkehr? Zur Umkehr? Zur Besserung? Zur Busse? Das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel», einst kühl-klassischer Aufklärung verpflichtet, inzwischen die Erbauungsschrift der Merkel-Republik, gibt in seiner neusten Aus­gabe die Antwort auf die Weis­sagung des weisen alten Mannes vom Berg: «Der Corona-Schock birgt die Chance auf eine bessere Welt.»

Demnach besitzt das Virus nicht nur ­Stachelproteine, die sich hartnäckig an den Zellen eines Wirtsorganismus festkrallen. Nein, es entfaltet ausserdem Wirkung im ­Organismus der Weltgesellschaft, und zwar heilsame – wenn der Mensch es nur will, wenn er die Viruswarnung als Zeichen der Natur ­versteht.

Wie wäre es, wir würden beim Virus bleiben? Beim Virus als Virus, nichts weiter. Wie wäre es, wir würden darauf verzichten, den Krankheitserreger zur Prophetie, zum biblischen Bild zu überhöhen? Ja, wie wäre das?

Es wäre zunächst einmal des aufgeklärten ­Bürgers würdig, selbstverständlich vor allem des aufgeklärten Intellektuellen, des Jour­nalisten auch – so er denn jenseits berufs­bedingter Schwärmerei für drohendes Heil oder Unheil noch zu skeptisch-entspanntem Denken in der Lage ist.

Gegen derlei Einwände lässt sich natürlich der Einwand erheben, es gehöre zum Wesen der westlichen Kultur, jedwede Krise, und sei ­ es eine medizinische, zur Selbstkritik mit ­anschliessender Hinwendung zum Besseren zu nutzen. Schliesslich hat diese Fortschritts-Dialektik die offene Gesellschaft, wie wir sie ­leben und geniessen, mitsamt ihrem demo­kratisch gezähmten Kapitalismus an die Welt­spitze gebracht.

Corona als Ansporn, diesen Weg weiter zu ­beschreiten?

Die metaphysische Überhöhung des elenden Schlagworts Corona, so edel sie auch gemeint sein mag, lenkt ab von dem, was jenseits der medizinischen Bekämpfung gerade die ganz konkrete Frage ist:

Wer hat uns das eingebrockt?

Wer Corona zum Ausgangsbegriff für die ­bessere Zukunft adelt, macht aus dem widerlichen Virus eine historische Offenbarung, für welche künftige Generationen sogar dankbar sein müssen: Corona als Segen für die sündensüchtige westliche Welt. Wann steigen unsere Dankgebete in den Osthimmel, allwo die chinesische Sonne unser zerknirschtes Erwachen überstrahlt?

So gesehen wäre dann auch die ganz und gar prosaische Frage nach der Verantwortung für die Kranken und die Toten und die unermess­lichen wirtschaftlichen Schäden nicht nur überflüssig, sie wäre geradezu lästerlich, nicht zuletzt angesichts der Wohltaten in Form von Plastikoveralls und Schutzmasken, mit denen uns die Täter von Wuhan und Peking derzeit verwöhnen.

Verhöhnen!

Ja, die Täter sitzen in der Geburtsstadt der Pandemie und in der Hauptstadt der Diktatur, ­allen voran Xi Jinping, Pekings gefroren lächelnder Pate. Der allmächtige Führer des ersten digitalen Totalitarismus erstickte systematisch und unter Strafandrohung während Wochen jedes wahre Wort über das, was in seinem Reich geschah: die Ausbreitung einer lebensgefährlichen Krankheit sowohl im eigenen Land als auch im westlichen Ausland durch ungehinderte Flüge von Tausenden seiner Untertanen. Dem Verschweigen folgte das Verharmlosen. Dem Verharmlosen das Verdächtigen anderer.

Während Peking Lug und Trug statt ­Tatsachen verbreitete, überrollte die Seuche den Globus – bis tief hinein in die abgelegensten Regionen wehr­­loser Entwicklungsländer. Da ­die chinesische Führung nicht mit Dummköpfen besetzt ist, muss davon ausgegangen werden, dass die Täuschung bewusst geschah. Weshalb bei dieser ungeheuerlichen Tat durchaus Vorsatz festgestellt werden darf.

Einfache Bürger, die in Corona nichts Metaphysisches zu erkennen ver­mögen, kommen da auf naheliegende Gedanken. Zum Beispiel der BLICK-­Leser Patrick Crameri: «Wir sollten China verklagen und Schadenersatz anfordern.» Zum Beispiel der BLICK-Leser Nicolas Drillier: «China ist kommunistisch und eine Atommacht. Nie im Leben wird China auf Schadenersatz-Forderungen eingehen.»

So ist es wohl. Weder die USA noch die EU, schon gar nicht die Vereinten Nationen werden sich zu einem Gerichtsverfahren ­entschliessen können, das Xi Jinping als ­Verantwortlichen für die Pandemie unter ­Anklage stellt. Gerichtshöfe für Verbrechen gegen die Menschlichkeit bleiben Despoten und Kriegskriminellen aus afrikanischen Bürgerkriegsgebieten vorbehalten.

China ist einfach zu gross. Zudem unterhält man herzlichen Geschäftsverkehr mit dem Reich der Mitte. Soll der wegen ein paar Tausend Toten gestört werden?

Zu Zeiten des Vietnamkrieges setzten sich ­Intellektuelle, Künstler und engagierte Bürger aus der antiamerikanischen Protestbewegung in Berlin zusammen und veranstalteten ein ­«Vietnam-Tribunal».

Zeit für ein China-Tribunal.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?