Ist Sergio Ermotti unser aller Monarch? So nennt ihn Arthur Rutishauser, immerhin ein kundiger Wirtschaftsanalytiker: «König Ermotti macht sich unersetzlich.» Der Satz des «SonntagsZeitungs»-Chefredaktors soll witzig klingen. Er verrät aber auch Bewunderung – für den Mächtigen und seine Macht.
Offenbar jedoch benimmt sich der König der Schweiz nicht sonderlich standesgemäss. So klagte der Blick nach einem Besuch seiner Majestät, des Group Chief Executive Officers der UBS, beim KMU-Industrietag: «Ermotti hat kaum Zeit für besorgte Patrons.» Erst müssten die Untertanen warten, dann verschwinde der Gekrönte auch noch vorzeitig: «Ermotti kam erst, als die Veranstaltung schon lief, und rauschte nach seinem Auftritt gleich wieder ab.»
In der Tat, königlich ist solches Gebaren natürlich nicht, machtbewusst allerdings schon.
Sind das die neuen ökonomischen Verhältnisse in der Schweiz – ganz oben der UBS-Herrscher, weit unter ihm die Patrons der kleinen und mittleren Industriefirmen, die an ihrer Tagung nach den Weisheiten und Weisungen des weltkundigen und weltläufigen Manager-Monarchen dürsten?
Könnte es sein, dass es sich in Realität eigentlich genau umgekehrt verhält?
Es sind die Industriepatrons an der Spitze ihrer Unternehmen, die Mehrwert schaffen: durch die Herstellung werthaltiger Industrieprodukte. Ganz oben also die Patrons der Werte-Wirtschaft.
Die Banker hingegen haben die Aufgabe, den von Industriepatrons und Arbeitnehmern geschaffenen kapitalistischen Mehrwert zu verwalten – am besten gewinnbringend.
Die einen schaffen Werte. Die andern handeln damit – im Auftrag der Erschaffer dieser Werte.
So sieht eine Wirtschaft aus, die auf ihren Füssen steht. Wäre Ermotti tatsächlich König, stünde sie auf dem Kopf. Diesen Kopfstand, den Journalisten je nach Standpunkt bejubeln oder beklagen, verantworten die Patrons selbst: Sie verkriechen sich in ihre Brancheninteressen – und ducken sich vor dem herrschaftlichen, dem herrischen Auftritt der Bankmanager.
Sie bewundern das Jonglieren mit ihrem Geld mehr als die eigenen Leistungen, die sie in ihren Firmen täglich erbringen – mehr als die Werte, die sie den Jongleuren am Paradeplatz vertrauensvoll zur Verfügung stellen.
Was könnte dagegen helfen? Politik zu machen! Endlich! Wieder! Wie die Industriellen, die einst Banken als Dienstleister der Werteschöpfer gründeten, übrigens auch Versicherungen. Sie bemächtigten sich zudem der Politik: Mit freisinniger Kultur schufen sie, im kreativen Zusammenspiel mit den Sozialdemokraten, den modernen Sozialstaat, ein grosses Werk, das auch soziale Marktwirtschaft genannt wird.
An diese Zeiten der politisch engagierten Patrons erinnern noch Namen wie Rüegg oder Bremi, aber auch die ihrer ungebärdigen Geistesbrüder Petitpierre, Salvioni, Tschopp, Steinegger – allesamt kritisch-kreativ der Patronkultur verbunden.
Wer vertritt die Patronkultur heute?
Magdalena Martullo-Blocher, Patronne des Weltunternehmens Ems-Chemie.
Die SVP-Machtfrau hält im Nationalrat die Stellung. Mächtige Unternehmer dagegen fehlen. Sie delegieren ihre Interessen lieber an Verbandsfunktionäre. Selber hinstehen? Keine Zeit! Politik ist Nebensache.
Doch diese Nebensache, kulturell längst in den Händen linksgrüner Kapitalismusfeinde, bestimmt auch über ihre eigenen Angelegenheiten: die der Industrie und – ihrer! – Banken. Denn in der Demokratie gilt die Regel, dass mit dem, der sich vor Politik drückt, Politik gemacht wird.
König Ermotti wird es schon richten.