Bundespräsidentin Viola Amherd will mit der EU und der Ukraine den Cyberkrieg trainieren – dafür soll sich die Schweiz an militärischen Programmen der Europäischen Union beteiligen. Ein überaus bemerkenswertes Unterfangen der Bundesrätin für Verteidigung und Bevölkerungsschutz: Sie sucht den Schulterschluss mit dem ewigen Feind Brüssel, aber auch mit einer Nation, die gerade im Krieg gegen den ewigen Feind Moskau steht.
Alles für die Sicherheit der Alpenfestung mitten in Europa – mitten in der spannungsgeladenen und kriegsbeschädigten europäischen Wirklichkeit.
Die umsichtige Walliser Bundesrätin liefert damit die aktuellsten Schlagzeilen für ein ewiges Schweizer Thema. Wollte man in Zungen reden, könnte man auch behaupten: das Schweizer Thema von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Soll, muss, darf die Schweiz ihrer geografischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Einbettung in Europa einen politischen Rahmen geben durch ein Abkommen – ein Rahmenabkommen, das die Beziehungen zur Europäischen Union über das Klein-Klein bilateraler Verhandlungen hinaus regelt?
Sanija Ameti, Co-Präsidentin der Operation Libero und unbeirrbare Kämpferin für eine mit Europa kompatible Schweiz, sieht die grundlegenden Fakten so: «Das Narrativ der Unabhängigkeit ist ein Mythos. Es ist die Lebenslüge der Schweiz. Seit den 60er-Jahren sind wir nicht mehr unabhängig. Wir übernehmen um die 50 Prozent an europäischem Recht, ohne mitbestimmen zu können.»
Ist die aktuelle Schweizer Geschichte nur eine Erzählung – ein «Narrativ»? Die Geschichts-Geschichten zum Thema Europa sind in der Tat verwirrlich: Eine gern verbreitete erzählt, «warum wir keinen Rahmenvertrag brauchen» – weil doch die Schweiz nur durch Abseitsstehen «weltoffen bleibt und sich nicht einseitig von der EU abhängig macht».
Das Anti-Europa-Narrativ ist einer anderen legendären Erzählung nicht unähnlich: Die Erde ist eine Scheibe! Dieser absurde antike Glaube eignet sich trefflich zur Beschreibung der Beziehungen von Bern zu Brüssel:
Die Schweiz ist eine Scheibe.
Die internationale Publizistik hält für diese absonderliche Sichtweise von Welt und Wirklichkeit ihrerseits ein handliches Narrativ bereit. In einem Bericht der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» über die Eidgenossenschaft erzählt es sich so: «Lieber lässt man andere Länder das Völkerrecht verteidigen und für die Sicherheit in Europa sorgen, von der die exportstarke Schweiz so stark profitiert wie kaum ein anderes Land.»
Sind wir eine Nation der sicherheits- und wirtschaftspolitischen Profiteure? Fürwahr eine böse Erzählung. Allerhöchste Zeit, dass jemand der Einsicht zum Durchbruch verhilft:
Sogar die Schweiz ist Teil der Erdkugel.
Nur das Schweizer Volk kann auch der Politik zu dieser Erkenntnis verhelfen – wenn es dereinst all der närrischen Narrative überdrüssig ist.