Frank A. Meyer – die Kolumne
Der Schoss ist fruchtbar noch

Publiziert: 11.08.2019 um 12:13 Uhr
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Aktualisiert: 11.08.2019 um 12:16 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Gemäss einem Urteil des Bundesgerichts in Lausanne muss die UBS Daten von 40000 Kontoinhabern in Frankreich an die dortigen Steuerbehörden übermitteln. Es handelt sich um Namen, Geburtsdaten, Kontostände und Adressen von Kunden, die ihre UBS-Konten vor der Aufhebung des Bankgeheimnisses eröffnet hatten. Mutmasslich also um Schwarzgeld.

Der Entscheid des Bundesgerichts provozierte massive Kritik. In der «SonntagsZeitung» erschien die ätzende Schlagzeile: «Der Kniefall von Lausanne». Ein Kommentar im SonntagsBlick war ähnlich deftig überschrieben: «Staatlicher Bankraub».

Richtig ist: Frankreich will Geld zurück, das Steuerflüchtlinge bei der UBS vor dem Fiskus versteckt haben – Steuergeld, das die UBS unter dem Schutzschirm des Bankgeheimnisses in ihre Tresore schleuste, aktiv durch Anwerben
von Steuerflüchtlingen, passiv durch das in aller Welt bekannte Angebot, Geld in der Schweiz zu bunkern, das ­eigentlich nicht in die Schweiz ­gehörte.

Über Generationen plünderten eidgenössische Banken die Steuerkassen anderer Nationen, nicht zuletzt befreundeter Nachbarländer: ein Raub an fremden Staaten. Dieses lukrative und bequeme Geschäft war somit das exakte Gegenteil des «staatlichen Bankraubs», dessen nun das Bundesgericht bezichtigt wird. So viel zum Sachverhalt, der nicht vergessen werden sollte, wenn es um Nachwehen der trüben Vergangenheit des helvetischen Finanzplatzes geht.

Selbstverständlich darf ein Urteil kritisiert werden, auch eines der höchsten Schweizer Rechtsinstanz. Gerichtsurteile sind öffentliche Angelegenheiten. Im vorliegenden Fall fielen Kritik und Empörung bei der ­Schweizerischen Volkspartei besonders heftig aus. Grund: Der SVP-Bundesrichter Yves Donzallaz hatte den Ausschlag für die 3:2-Entscheidung gegeben.

Ein unabhängiger Richter.

Das Parlament, das die Bundesrichter wählt, setzt solche Unabhängigkeit als selbstverständlich voraus. Respekt wäre angezeigt. Müsste man meinen.

Doch die SVP rast.

Fraktionspräsident Thomas Aeschi: «Wir müssen uns ernsthaft fragen,
ob wir Bundesrichter unserer Partei wiederwählen wollen, wenn sie in keiner Weise unser Gedankengut vertreten.»

SVP-Banker Thomas Matter: «Ich werde die Namen der für dieses Skandalurteil zuständigen Bundesrichter bei der nächsten Wiederwahl bestimmt nicht vergessen haben – auch den betreffenden Richter meiner eigenen Partei nicht.»

SVP-Nationalrat Pirmin Schwander: «Die Frage eines Amtsenthebungsverfahrens bekommt mit diesem Urteil ein anderes Gewicht und eine ganz andere Dimension.»

Wie sind diese Äusserungen zu qualifizieren?

Es sind Drohungen.

Drohungen gegen einen Richter, der seiner Partei nicht zu Willen war; gegen ein Gericht, das die Entscheidung nach der Ethik des Rechtsstaates völlig unabhängig fällte.

In Europa haben Parteien der äusseren Rechten derzeit Konjunktur. Zu ihrem Wesen gehört Feindseligkeit gegen die unabhängige Rechtsprechung. Sie wollen, von Orban in Ungarn bis Salvini in Italien, die Gerichte umfunktionieren zu Instrumenten ihrer Ideologie, deren faschistische Grundierung sich gerade in diesem Diffamieren und Bedrohen unabhängiger Richter und Gerichte offenbart.

Der Totalitarismus von rechts wie links lehnt seit jeher das Prinzip der Gewaltenteilung ab und predigt ­daher unablässig den Hass auf den Rechtsstaat, der die Fantasmen von ungeteilter, also ungebremster Machtausübung konterkarieren kann.

Der Wortführer des äussersten rechten SVP-Flügels polemisierte ganz im Geiste der neuen europäischen Reaktionäre: «Schweizer Behörden im Dienst einer ausländischen Macht.»

Bundesrichter als Landesverräter!

In Europa erwacht gerade ein Ungeheuer aus dem Schlaf, das man aufgrund seiner schrecklichen Geschichte für immer besiegt wähnte.

Um es mit Bertolt Brecht zu sagen: «Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!»

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