Frank A. Meyer – die Kolumne
Der Preis der Demokratie

Publiziert: 21.03.2021 um 00:30 Uhr
Frank A. Meyer

Er war der reichste Bundesrat aller Zeiten – und der wohl gierigste in der Geschichte des Bundesstaates. Ausgerechnet er soll jetzt Anlass geben, den Mitgliedern der Landes­regierung ihr Altersgehalt zu streichen.

Christoph Blocher, Milliardär, von 2003 bis 2007 Justizminister der Schweizerischen Eidgenossenschaft, verzichtete nach seiner schmachvollen Abwahl auf ihm zustehende Ruhegelder von 225 000 Franken jährlich – ein politischer PR-Coup: der selbstlose, der volksnahe Populistenführer – zum Umarmen!

Doch im vergangenen Jahr besann sich der pekuniär po­tente Pensionär eines Schlechteren – und forderte die Nach­­zahlung der Summe, die er gross­spurig ausgeschlagen hatte: 2,77 Millionen Franken. Das Bundesratskollegium gewährte dem quengelnden alt Kollegen schliesslich 1,1 Millionen.

Nun will ein SVP-Nationalrat namens Mike Egger das bundesrätliche Ruhe­gehalt total abschaffen: «Es muss Schluss sein mit den Sonder­privilegien für Poli­tiker.» Kommt es so, wäre das die einzige bemerkenswerte Tat des Oligarchen aus Herrliberg, die dessen Zeit als Bundesrat zugerechnet werden könnte. Die Lex Blocher.

Mike Egger erklärt auch den höheren Sinn seiner Absicht: «Die Bevölkerung hat für solche Sonderprivilegien kein Verständnis.» Fürwahr, das klingt vorzüglich in Volkes Ohr. Doch wie klingt es in den Ohren von Demokraten?

Ihnen ist die Demokratie teuer. Lässt sie sich billiger machen? Der neue UBS-Chef Ralph Hamers verdient 4,2 Millionen Franken in vier Monaten, wie die «Neue Zürcher Zeitung» zu berichten weiss. Ein Bundesrat verdient im Jahr 450 000 Franken.

Wem dient der Bundesrat? Dem Volk. Wem dient der UBS-Chef? Der Bank. Was macht den Dienst an der Bank so viel wertvoller als den Dienst am Volk? Dass es bei diesem Geschäft um Geld geht?

Kaum eine Tätigkeit könnte ausgreifender sein als die eines Bundesrats: Sie berührt sämtliche Bereiche der Gesellschaft. Kaum eine Verantwortung ist grösser als die der Landesregierung: Verantwortung für den gedeihlichen Gang der Schweizer Dinge.

Warum aber strömen so viele intelligente, tüchtige, verantwortungsfähige junge Leute in die Wirtschaft – und kaum welche in die Politik? Die finanziell befriedigendere Karriere macht man als Manager; kaum ein Berufsleben ist lukrativer als das in der privaten Chefetage.

Politik dagegen ist zwar ausgesprochen ­interessant, aber auch Mühsal mit Bürgerbetreuung und Abstimmungskämpfen, mit Wahlen und Wiederwahlen, mit ­Siegen und Niederlagen – und materiell bescheidenem Ertrag im Vergleich zur ­Unternehmenswelt.

Ja, politische Performance wird vergleichsweise gering entlöhnt.

Gilt das auch für die Bundesräte? Durchaus, wenn man ihr Gehalt von 450 000 Franken in Beziehung setzt zu dem Geldsegen, den Bosse in den obersten Rängen grosser und selbst mittlerer ­Firmen geniessen.

Natürlich ist die Position als Bundesrat punkto Prestige das Höchste, was ein Schweizer ­erreichen kann. Das ist viel wert. Auch Parlamentarier geniessen in der Öffentlichkeit Hochachtung, die den Verzicht auf grössere Einkünfte wettmacht. Dennoch bedürfen Funk­tionen im Dienst des Staates einer gewissen ­materiellen Attraktivität, sonst versiegt das Interesse vieler erfolgs­­­­beflis­sener junger Leute am politischen Amt.

Demokratie-Berufe müssen in­ter­essieren – und rentieren!

Dazu gehört die Absicherung nach verlorenen Wahlen oder Rücktritten. Vor allem Bundesräte sollen sozial sicher sein in ihrem Auftritt – und über die Amtsdauer hinaus bleiben: Ihre gesellschaftlich herausragende Stellung muss auch in der Zeit nach dem politischen Wirken Ausdruck finden, unter anderem in Form eines angemessenen Ruhegehalts. Dies nicht zuletzt, um fragwürdigen ­Verlockungen aus der finanziell verführerischen Wirtschaftssphäre als Pen­sionisten zu widerstehen.

Was dem Prestige der Berufsdemokraten dient, dient in erster Linie der Demo­kratie: Politiker brauchen einen starken Auftritt in einer Gesellschaft mit zahllosen ma­teriell Mächtigen – denen sie Paroli zu ­bieten haben.

Was ist die Demokratie den Demokraten wert? Sollen nur noch Millionäre und ­Milliardäre Macht in der Politik verkörpern, weil die sich das politische Amt aus eigener finanzieller Kraft leisten können?

Eine billige Demokratie ist eine billige ­Demokratie.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?