Vielleicht muss man sich ja damit abfinden, dass die Schweizer Sozialdemokraten die Kindereien der deutschen Sozialdemokraten nachahmen, wie Kinder es nun mal tun: Cédric Wermuth, Jungstar der SPS, will gemeinsam mit Mattea Meyer, wie er Mitglied des Nationalrats, aber auch Mutter zweier Kinder, der SPS die Zukunft erschliessen. Die gendergerechte Bezeichnung lautet dann wohl:
ParteipräsidentIn oder, noch korrekter: Parteipräsident*in.
Das Vorbild dafür liefert Deutschland, wo die Partei von August Bebel und Willy Brandt seit allerneustem von einem Mann-Frau-Gespann – genderkorrekt: von einem Frau-Mann-Gespann geführt wird.
Ja, die Krise der Sozialdemokratie ist tief, auch in der Schweiz, wo die grosse alte Arbeiterpartei gerade durch ihr schlechtestes Wahlresultat seit 1919 gedemütigt wurde. Jetzt also soll Genderismus weiterhelfen.
Wie aber funktioniert Wermuths Genderismus?
Im Kanton Aargau bootete er im Herbst – ohne jeden rationalen Grund – eine Genossin aus, die statt seiner Ständeratskandidatin werden wollte. Wermuth hatte keine besseren Wahlchancen als die alleinerziehende Mutter Yvonne Feri, womöglich sogar weniger, wie die Resultate am 20. Oktober zeigten: Die Schweizerinnen und Schweizer wählten mit Begeisterung junge Frauen. Der Ex-Juso-Vorsitzende fiel im Aargau durch.
Doch so ists, so bleibts: Männer sind Meister im Durchmarschieren. Für Frauen bläst Wermuth die Schalmeien: An Podiumsdiskussionen nehme er nicht mehr teil, «wenn sie nur aus Männern zusammengesetzt sind». In der politischen Praxis boxte er eine Frau weg, die ihm in die Quere kam.
So tun, als ob, das ist das A und O der männlichen Macher in Genderzeiten. Cédric Wermuth führt das Kunststück nun in Vollendung vor: Er will das SPS-Präsidium mit einer Frau teilen! Ist das nicht eine Demonstration von reinherzigem Feminismus? Eine rührende Inszenierung von Geschlechtergleichheit?
Es ist genau das Gegenteil:
Denn allein, einfach nur als Cédric Wermuth, also ohne den Beistand einer Co-Kandidatin, hätte der gewiefte Aargauer Macho wohl kaum Aussicht auf das Amt des SPS-Präsidenten. Er braucht eine Partnerin: die Frau, die ihm den Rücken freihält – das klassische, das böse Bild. Vielleicht klappt der Trick:
So tun, als ob – und hopp!
Cédric Wermuth hat dazu ein geschwätziges Sätzchen anzubieten: «Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern beruht selbstverständlich zu einem grossen Teil auf strukturellen Diskriminierungen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.»
Ein Lehrsätzchen? Ein Leersätzchen.
So leer wie Wermuths Antwort auf die Frage, ob immer noch der Kapitalismus überwunden werden müsse: «Selbstverständlich.» Damit ist das meiste schon gesagt, was die Jusos zu bieten haben, die sich in der Schweiz wie in Deutschland anschicken, das Ruder der Sozialdemokratie zu übernehmen.
Sie wollen einfach nur «das System überwinden».
Es ist aber das System, das unter entscheidender Mitwirkung der Arbeiterbewegung einen Reichtum hervorgebracht hat, der das soziale Netz sichert. Ein Netz, das ganz konkret für Menschen eingerichtet wurde, die jeden Tag pünktlich und fleissig arbeiten: von der Verkäuferin über den Heizungsmonteur bis zum Schreiner – gelernte Arbeitnehmer.
Was hat Cédric Wermuth gelernt? Wo hat er die Welt der Werktätigen erlebt? Welche Erfahrung aus dem Arbeitsleben prägt ihn?
Der Akademiker und «Strategieberater», wie er sich nennt, ist ausschliesslich Politiker: vom Hörsaal in den Ratssaal – genau wie Kevin Kühnert, Aufmischer der abgetakelten deutschen Sozialdemokratie, Juso-Vorsitzender und Kapitalismus-Überwinder, der die Automobilindustrie enteignen will, um die bösen Besitzer von Produktionsmitteln zu entmachten.
Cédric und Kevin: hochintelligente Junggenossen, hochbegabte Redner, hoch motivierte Karrieristen. Machtpolitiker ohne Perspektiven ausserhalb der politischen Sphäre.
Klappts in der Politik nicht, klappts im Leben nicht.
Sind solch frühbegabte Knaben geeignete Krisenmanager für die gebeutelte demokratische Linke?
Vielleicht fehlt den adoleszenten Machtmännern ja nur die Schreinerlehre.