Im SonntagsBlick war jüngst die Schlagzeile zu lesen: «Glencore-Mitarbeiter attackieren Bäuerinnen» – ein Bericht über das brutale Vorgehen des Schweizer Rohstoffkonzerns gegen Bauern in Peru. In einem anderen Blatt lautete die Schlagzeile: «Nestlés fette Gewinne in Dürrezeiten» – die Weltfirma vom Genfersee hatte in Kalifornien durch das Abfüllen von Grundwasser Proteste provoziert.
Multis als Täter: gegen Menschen und Umwelt.
Das globalisierte Geschäft führt zu solchen Konflikten, je eifriger – je profitgieriger – es betrieben wird. Die Konzernverantwortungs-Initiative macht Unternehmen und deren Tochtergesellschaften haftbar, wenn sie im Ausland die Standards von Menschenrecht und Umweltschutz verletzen.
Ein vernünftiger Gedanke vernünftig denkender Bürger. Der Bundesrat folgte dieser Vernunft mit einem Gegenvorschlag, den auch die Initianten als vernünftigen Kompromiss betrachten. Sie wären bereit, ihr Volksbegehren zurückzuziehen.
Die total globale Schweiz auf dem Weg zur Verantwortungsnation – zum Vorbild für andere?
Zu früh gefreut! Der Ständerat will keinen Kompromiss. Also keine Haftbarmachung hiesiger Firmen für deren Tun und Unterlassen jenseits der Schweizer Grenzen. Die «Neue Zürcher Zeitung» jubilierte: «Absage an das Firmen-Bashing».
Damit sind die Dimensionen klar umrissen: Den Initianten gehts um die Interessen von Mensch und Umwelt, den Gegnern um den Ruf von Konzernen aus der Schweiz.
Geht es womöglich noch um etwas Drittes? Um die Schweiz geht es: um das gute Bild von der guten Schweiz. In Marketingsprache: ums «Image».
Die Schweiz ist nämlich mehr als nur ein Standort für global operierende Firmen. Sie ist eine in aller Welt respektierte tüchtige und anständige Nation – tüchtige und anständige Bürgerinnen und Bürger haben diese Reputation erarbeitet. Sie ist das Werk von Generationen.
Und sie ist der Schweizer Markenkern: Tüchtigkeit und Anstand.
Gerade darum lieben multinationale Konzerne die Schweiz als Standort: Sie schmücken sich mit der Marke Schweiz. Sie tragen sie stolz in ihrem Namen. Sie drucken die reputierten sieben Buchstaben auf ihr Briefpapier, ihre Prospekte, ihre Visitenkarten. Die Firmen-Botschaft lautet: Seht her, wir stammen aus der Schweiz!
Die Reputation der Schweiz fördert die Reputation der Firma. In Marketingsprache heisst das: «Image-Transfer».
Leider funktioniert dieser Transfer auch andersherum:
Die Reputation mancher Firmen beschädigt die Reputation der Schweiz.
Ein Glencore-Skandal in Peru, ein Nestlé-Skandal in Kalifornien verführt die Weltöffentlichkeit zum Schluss: aha, die Schweiz; aha, schon wieder die Schweiz; aha, immer die Schweiz!
Die Schweiz ist über ihre Wirtschaft ein Global Player. Was globalisierte Firmen aus der Schweiz heraus in der weiten Welt anstellen, fällt auf das Land zurück – es verschattet das Schweizerkreuz.
Genau diesem Malaise will die Konzernverantwortungs-Initiative Grenzen setzen: Grenzen des Rechts; Grenzen durch Haftung; präventiv wirkende Grenzen durch Umsicht und Vorsicht und Verantwortung der Firmen, die in Zukunft wissen, dass Gewalt gegen Bauern in Peru oder Missbrauch von Wasser in Kalifornien daheim, im Schweizer Rechtsstaat, nicht folgenlos bleiben.
Das Benützen des Namens Schweiz für weltweite Geschäfte ist gratis. Der Missbrauch des Namens Schweiz muss etwas kosten.