Frank A. Meyer – die Kolumne
Der Besserwisser

Publiziert: 30.05.2020 um 23:21 Uhr
|
Aktualisiert: 31.05.2020 um 00:20 Uhr
Frank A. Meyer

Er ist die personifizierte Netflix-Serie der Schweizer Politik. Und ohne Umschweife sei hinzugefügt: ­Immer wieder ist er unterhaltsam, und zwar auf ganz unterschiedliche Weise, mal absonderlich, mal paradox, mal abstrus, mal clown­esk, mal einfach nur einfältig, wie es eben unvermeidlich ist für Netflix-Produktionen.

Seit Jahren hält er uns bei Laune, was endlich einmal gewürdigt werden muss – und wozu die jüngste Folge der aktuellen Staffel ganz ­besonders Anlass bietet.

Den Plot liefern die Corona-Massnahmen des Bundes­rats und die Idee von BLICK, alt Bundesräte zur Kommen­tierung der Pandemiepolitik ihrer amtierenden Nachfolger aufzurufen. Die Befragten ­urteilten durchweg positiv. Die frühere Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf beispielsweise fand zur Vorgehensweise des Bundesrats ­folgende Worte: «Er hat zu Beginn der Krise ­sehr gut reagiert, als man Mitte März wirklich schwierige Entscheide fällen ­musste. Und er hat diese auch gut kommuniziert.»

Ist damit alles gesagt? Natürlich nicht. Denn jetzt erfolgt der Auftritt des ­helvetischen Netflix-Helden: Christoph Blocher, Bundesrat von 2003 bis 2007.

Aus Sicht des kurzzeitigen Regierungsmitglieds und ewigen SVP-Präsidenten haben die heutigen Amtsinhaber alles verpatzt, weil sie «den Kopf verloren und überhastete Massnahmen beschlossen, die nicht dringlich waren, aber absehbar grosse Schäden ver­ursachen werden». Darum ist in den Augen des Veterans «der Schaden nun grösser, als ihn das Virus angerichtet hätte». Den derzeit politisch Ver­antwortlichen wirft er nichts Geringeres vor als «Unfug». Überdies hätten sie eine «Verwaltungsdiktatur» errichtet.

Ja, Blochers neuster Netflix-Reisser hat es in sich. Und er vertreibt dem ­Zuschauer jede Corona-Langeweile – was im Serien-Geschäft als allergrösstes Lob verbucht werden darf.

Dieses Lob ist sogar noch zu erweitern: Der Ehemalige, der mit notorischer Selbstgewissheit die sieben Nachfolger abqualifiziert, hat als Bundesrat keinen «Unfug» getrieben. Aus seiner Regierungszeit ist nur Beruhigendes zu vermelden: Er setzte nichts ins Werk, was «absehbar grosse Schäden» hätte ver­ursachen können. Überhaupt ist, sieht man genau hin, nichts Bedeutendes ­erinnerlich, was seine Handschrift tragen würde. Er verdarb nicht einmal die Hinterlassenschaft seiner Vorgängerin Ruth Metzler.

In der Tat, Christoph Blocher hat sich in seiner kurzen Amtszeit auffällig ­zurückgehalten mit Wirken und Walten – man könnte auch ­sagen, mit den Mühen der Regierungsebene, wäre diese ­Bemerkung nicht despektierlich, zudem unpräzis. Hat er doch während vier Bundesratsjahren nie auf die Kärrnerarbeit als Präzeptor seiner Partei und populistischer Polemiker verzichtet – anstrengende Verrichtungen fürwahr.

Bemüht hat er sich also auf jeden Fall, hör- und sichtbar fürs ganze Land. Und noch bevor er Fatales vollbringen konnte, wurde er ­abgewählt – gerade recht­zeitig, um des Lobes für ­seine Bundesratspräsenz auf immer gewiss zu sein, wobei Letztere auf ­seiner Lebensstrecke doch etwas verloren wirkt.

So bestätigt auch sein Fall die Volksweisheit: Nur wer nichts macht, macht nichts falsch!

Das amtierende Bundesratskollegium dagegen hat in den vergangenen ­Monaten zu viel gemacht und zu viel machen müssen, um nichts falsch zu machen. Also wird der Blick zurück wohl oder übel Fehler offenbaren, zu Gaudi und Genuss all jener, die es ­immer schon besser gewusst haben.

Triumphe der Besserwisser.

Noch fehlt der Netflix-Serie mit ­Christoph Blocher der treffende Titel. Wie wärs mit: «Der Besserwisser»?

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?