Frank A. Meyer – Die Kolumne
Der Adel der Republik

Publiziert: 15.09.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2024 um 11:29 Uhr
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Frank A. MeyerPublizist

Rund 230 000 Franken Ruhegehalt: So viel kassiert ein Bundesrat nach seinem Rückzug aus dem Amt – bis ans Lebensende. In den Augen anderer – normaler Beschäftigter und Steuerzahler – ist das eine Menge Geld.

Nun will Nationalrat Rémy Wyssmann dieses jährliche Ruhegehalt abschaffen, das exakt die Hälfte des Bundesratslohns beträgt. Der Parlamentarier gehört zur SVP, einer Partei von Millionären und Milliardären, die sich gerne volksnah inszenieren.

Auch Christoph Blocher versuchte sich einst als Bundesrat. Der Führer-Anspruch des SVP-Oligarchen verhinderte aber die Einordnung ins Regierungs-Kollegium – er wurde abgewählt. Volksnah verzichtete er auf die 230 000 Franken Ruhegehalt, heimste den Applaus des Volkes ein – um einige Jahre später den aufgelaufenen Betrag von 2,7 Millionen doch noch einzufordern. 1,1 Millionen wurden dem Milliardär schliesslich zugestanden – für Blocher ein Zustupf zur Portokasse.

Was hat es mit den 230 000 Franken Ruhegehalt auf sich, auf die man nach vier Jahren als Bundesrat Anspruch hat? Ist es ein Privileg ohne Sinn und Zweck, das weit über das Wohlergehen der alt Bundesräte hinaus geht?

Mitglieder der Landesregierung verdienen im Vergleich zu Managern grosser Konzerne wenig – sofern das Wörtchen «wenig» hier überhaupt angebracht ist. Novartis-Chef Vas Narasimhan zum Beispiel wurde letztes Jahr mit 16 Millionen Franken belohnt. UBS-Chef Sergio Ermotti strich für neun Monate Arbeit 14 Millionen ein. Die mittlere Manager-Vergütung bei 17 börsenkotierten Firmen in der Schweiz lag um die 7,5 Millionen Franken.

Ein Bundesratsmitglied erhält 438 000 Franken im Jahr.

Über Manager und Politiker sagte der legendäre Freisinnige Ulrich Bremi, als mächtigster Mann der Schweizer Wirtschaft so etwas wie deren Bismarck, einst Folgendes: «Wirtschaftliche Erfahrung ist eine hervorragende Voraussetzung für ein öffentliches Amt, aber keine hinreichende. Es braucht mehr. Wir beklagen uns gelegentlich über mangelhafte politische Führung. Die Exponenten sind nicht immer schwächer. Aber die Anforderungen sind höher.»

Höhere Anforderungen an Politiker als an Manager, im Vergleich jedoch bloss ein bescheidenes Gehalt – verdienen Schweizer Regierungsmitglieder womöglich zu wenig?

Bundesrat ist nicht nur das höchste Amt praktischer politischer Macht. Es bedeutet immer auch eine Ehrung der Persönlichkeit, der es von der Bundesversammlung zugesprochen wird. Die sieben Minister in Bern sind die Nobilitäten der Schweiz – über alle Partei- und Gesellschaftsgrenzen hinweg respektiert:

Der Adel der Republik.

Bei allen Ehren werden sie zugleich ausgesprochen republikanisch behandelt: Jeder hat sich als Gleicher unter Gleichen einzuordnen – wer das Gremium verlässt, ist weg und soll politisch schweigen, was in der aktuellen Netz-Geschwätzigkeit leider aus der Mode zu kommen scheint.

Bundesrat ist ein Amt von höchstem Rang und höchster Belastung, geht es doch Tag und Nacht ums ganze Land – um die Probleme der Nation, quer durch alle Gesellschafts- und Zeitthemen.

Wer diesen Alltag meistern soll, darf auch attraktive Arbeitsbedingungen erwarten: vom Gehalt, das in der Schweiz höher liegt als in manch ausländischer Regierung, bis zum Ruhegehalt, das dem hohen Arbeitsanspruch an die Bundesräte entspricht.

Die 230 000 Franken Ruhestandsbezüge befreien Regierungsmitglieder von allen bohrenden Gedanken über die Alterssicherung: «Was mache ich nachher? Welcher Firma diene ich mich an? Wo folge ich dem Ruf des Geldes?»

Genau darum geht es beim Ruhegehalt der Bundesräte: um ihre Unabhängigkeit nach dem Rücktritt. Niemand muss bereits als Regierungsmitglied Vorleistung erbringen, um danach in Form von Posten oder Pöstchen den Dank einer Bank, einer Versicherung, eines Unternehmens einstreichen zu können.

Demokratie ist nicht billig. Wer sie billig will, macht sie teuer – fürs Gemeinwesen. Er überlässt die Politik denen, die es sich leisten können: Millionären und Milliardären, Verbands- und Gewerkschaftsfunktionären.

Demokratie, die nichts kostet, ist auch wenig wert.

Demokraten aber ist die Demokratie teuer.

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