Frank A. Meyer – die Kolumne
Das System

Publiziert: 16.06.2019 um 09:29 Uhr
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Aktualisiert: 17.06.2019 um 11:01 Uhr
Frank A. Meyer

Ja, der Frauenstreik ist eine gute Sache. Nein, die Männer haben keinen Grund für schlechte Laune. Noch liegt ihre Quote in Politik, Wirtschaft und Kultur zu hoch, zwischen 65 und 75 Prozent. Immerhin nicht mehr ganz so hoch wie vor zehn Jahren. Die Abnahme hat viel zu tun mit Frauen, die konsequent gegen die historische Selbstverständlichkeit dieser Männerquote ankämpfen.

In der linken Ecke, wo die «Wochenzeitung» mit Verve den Zeitläuften trotzt, war zum Frauenstreik die Überschrift zu lesen: «Der alte weisse Mann ist System.»

Im Geiste der «WOZ» ist damit alles gesagt: Das System des alten weissen Mannes heisst Kapitalismus, Kapitalismus heisst Patriarchat, und das eine ist genauso zu bekämpfen wie das andere.

Wie wäre dieser kommode Kurzschluss zu reparieren? Am besten mithilfe folgender Frage: Wo fand der freitägliche Frauenstreik statt? Die Antwort ist geeignet, verkrus­tete Denkwege freizumachen: Der Frauenstreik fand statt, wo der Kampf der Frauen um Gleichstellung stattfindet – im System des ­alten weissen Mannes.

So ist es seit jeher: Das westliche, das kapitalistische System, von linken Feminist*innen geschmäht als das Alte-weisse-Männer-System, fordert feministische Systemkritik nicht nur heraus, es verhilft ihr unter männlicher Mithilfe von Erfolg zu Erfolg!

Wer das böse Bild vom alten weissen Mann im Munde führt, muss sich auch die Frage ge­fallen lassen: Ist der junge schwarze Mann, ist der junge braune Mann, ist der junge gelbe Mann der bessere Mann für die Gleich­stellung der Frau? Also Afrika?

Also Arabien? Also Asien?

Wer rassistische Rabulistik gegen den alten weissen Mann betreibt, sollte auch die politischen Kulturen anderer Weltgegenden vor Augen haben: Wo möchten die Feministinnen ihren Kampf lieber führen als in der offenen, demokratischen und rechtsstaatlichen Zivilisation des Westens?

Wo könnten oder vielmehr dürften die linken Rassist*innen ihren gerechten Kampf überhaupt führen – ausser im Reservat des verhassten West-Mannes?

In den Ohren von Demokratinnen und Demokraten klingt der Refrain vom bösen alten weissen Mann absurd. Für die feministische Linke ist es das Lied der Befreiung.

Befreiung wovon? Befreiung von der Gesellschaft, die als einzige die Befreiung der Frau ermöglicht.

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