Die «SP Frauen* Schweiz» kämpfen europaweit für Frauenrechte. In einem Communiqué vom Dienstag bekunden sie ihre Solidarität mit den Polinnen, die gegen ein Urteil ihres Verfassungsgerichts streiken. Die obersten Richter erweiterten das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen – eine Entscheidung der schlimmsten Art: Abtreibungen sind nun sogar dann untersagt, wenn eine schwerwiegende Missbildung, eine unheilbare oder lebensgefährliche Krankheit den Fötus bedroht.
Da kommt den Schweizer Genossinnen die Galle hoch. Zu Recht.
Das polnische Urteil gegen die Selbstbestimmung der Frauen erging ganz im Sinn der katholischen Kirche, die mit dem Begriff «konservativ» allzu gnädig umschrieben wäre. Ihr extremer Konservatismus beeinflusst, ja beherrscht die Partei «Recht und Gerechtigkeit», deren allmächtiger Präsident Jaroslaw Kaczynski mit Fug als klerikal-faschistoider Politiker bezeichnet werden darf.
Polens Kirche macht Polens Politik.
Dagegen erheben die sozialdemokratischen Frauen der Schweiz ihre Stimme – für die Frauen in Polen.
Man könnte meinen, der Solidaritäts-Aufruf der Genossinnen entspringe dem ältesten aufklärerischen Reflex: gegen die Macht der Kirche, gegen die Macht der Religion, gegen jegliche religiös-politische Anmassung. Auch könnte man meinen, dieser aufklärerische Impetus zähle immer noch zum Arsenal der demokratischen Linken. Ferner könnte man meinen, dass dieser Kampf keine Ausnahmen kennt, dass er militant geführt werden muss – gegen jedwede Religion.
Ist das so?
Ist das auch dann so, wenn es um eine Religion geht, die Frauen systematisch unterdrückt, sie unters Kopftuch zwingt, ihnen den Mann als Vormund überordnet, ihm die Erziehung der Frau einräumt – samt Züchtigungsrecht?
Nein, so ist es nicht: Wenn es um den Islam geht, bekunden die sonst so lautstarken linken Frauen fast schon sympathiegetragene Zurückhaltung – vom gelegentlichen Stirnrunzeln übers Schweigen bis hin zum Schönreden. Was die «SP Frauen* Schweiz» für ihre Schwestern in Polen tun, das verweigern sie ihren Schwestern unter dem Schwert Allahs. Täten die Genossinnen, was zu tun ihnen ihre linke Geschichte aufträgt, müssten sie laut und militant auf die Strassen strömen, und zwar immer wieder – gerade jetzt.
Am 29. Oktober wurden in der Basilika Notre-Dame von Nizza drei Menschen von einem islamischen Terroristen ermordet. Der Mörder rief «Allahu akbar» (Gott ist gross) und enthauptete eine Frau, die ins Gebet versunken war. Am 21. Oktober ermordete ein Islamist in Dresden zwei Homosexuelle. Am 16. Oktober köpfte ein Gläubiger Allahs in Paris den Geschichtslehrer Samuel Paty, der sich erdreistet hatte, seinen Schülern am Beispiel von Mohammed-Karikaturen die Freiheit der Meinung im laizistischen Frankreich zu erklären. Gerade erst am Montag, einen Tag vor dem Communiqué der «SP Frauen* Schweiz», tötete ein Anhänger des Islamischen Staats in Wien vier Menschen und verletzte über 20 weitere Opfer schwer.
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli, Sozialdemokratin und Muslimin, empörte sich: «Phrasen wie ‹Das hat nichts mit uns zu tun› müssen endlich aufhören. Islamisten morden im Namen des Islam.»
Was der internationale Terror mit dem polnischen Abtreibungsgesetz zu tun hat? In beiden Fällen geht es um Religion. Einmal fürchterlich. Das andere Mal schlimm. Beide Vorgänge wurzeln im gleichen Sumpf – in der Religion.
Und so wäre es für linke Frauen eine Pflicht, zum Protest aufzurufen: zur Solidarität, zur offenen Bekundung von Entsetzen über die Enthauptung einer betenden Frau, über die Ermordung zweier Homosexueller, über die Toten von Wien – zum Widerstand gegen eine Religion der Frauenverachtung, die letztlich nichts weiter ist als eine Ideologie der Menschenverachtung, der Verachtung des Lebens selbst.
Eigentlich müsste die linke Bewegung – müssten insbesondere die linken Frauen – höchst engagiert sein im Kampf gegen den religiösen Totalitarismus. Eigentlich.
Aber nein. Engagiert sind die «SP Frauen* Schweiz» gerne und eifrig dann, wenn es gegen die katholische Kirche geht.
Gendersternchen statt Feminismus.