Foto: Antje Berghaeuser

Frank A. Meyer – die Kolumne
Das schwarze Herz

Publiziert: 17.05.2020 um 00:22 Uhr
Frank A. Meyer

Lauber! Mit dem Namen ist -eigentlich alles gesagt. Sogar das Ausrufezeichen dahinter ist überflüssig. Das setzt jeder Leser selber. Und doch muss man das Unsägliche, das mit diesem Namen verbunden ist, der Orientierung halber auf kürzeste Weise wiederholen: wirre Amtsführung, protokollfreie Geheimgespräche, unauffindbare Akten, seltsame Kontakte, kuriose Komplizen, offensichtliche Unwahrheiten, vorgetäuschte Erinnerungslücken, dreiste Rechthaberei, gescheiterte Verfahren.

Die Reihe der Fatalitäten wäre fortzusetzen. In einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» zog der Antikorruptionsexperte Mark Pieth den Schluss: «Ehrlich gesagt denke ich, in den USA würde Lauber angesichts all dieser Vorwürfe ins Gefängnis kommen ...» Das allerdings wäre ungerecht. Weshalb?

Die Parlamentarier, die Lauber 2012 zum Bundesanwalt erhoben, also zum höchsten Ankläger der Schweiz, wählten gar keinen Bundesanwalt. Ja, die Wahl eines unerbittlichen Hüters über Recht und Ordnung lag nicht ernsthaft in ihrer Absicht. Sie beriefen den Finanzlobbyisten aus einer global berüchtigten Steuerfluchtburg: Lauber amtete zuvor als Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbandes und Aufsichtsratsvorsitzender der liechtensteinischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Durchaus ehrenhafte Jobs in Zeiten, als das Plündern der Staatskassen befreundeter Nationen mithilfe des Bankgeheimnisses noch als moralisch unbedenkliches Geschäftsmodell betrieben wurde.

So war die Beschickung der Bundesanwaltschaft mit dem schönen Schönredner weder Missgriff noch Irrtum. Sie diente dem Ziel, vor aller Welt gut Wetter für den schweizerischen Rechtsstaat zu machen, ohne diesen Rechtsstaat störend-streng zu praktizieren: so tun, als ob.

Oh, nicht dass man die Rosstäuscherei in Worte gekleidet hätte! Derlei versteht sich ohnehin, gehört zum helvetischen Selbstverständnis: nur nichts tun, was globale Geschäfte in Gottes eigenem Alpenländchen durcheinanderbringen könnte.

Doch Lauber brachte in bester Absicht alles durcheinander – Riesenlärm um nichts statt Stillschweigen über alles. Daran ist der Bereitwillige nun gescheitert.

Für die Schweiz ist Lauber ein internationaler Reputationsschaden. Also das Gegenteil dessen, was er hätte bewerkstelligen sollen: Reputationsgewinn für das Land, das gerne grandios-global geschäftet, es aber gar nicht mag, wenn Gaunergeschäfte ans Licht der Welt gezerrt werden.

So war es über Jahrzehnte mit dem Schwarzgeld auf Nummernkonten. Nachdem diese lukrative Schweizer Liebhaberei international geächtet worden war, reisten die Schwarzgeldgesellen gleich persönlich mitsamt Geldkoffern ins Land. Die Kosten für die Aufenthaltsbewilligung von mindestens 100'000 Franken entrichteten sie wie ein Autofahrer seine Parkgebühr. Vor allem aus Russland strömten – und strömen – Oligarchen herbei ins Schlaraffenland der Diskretion, aber auch Despoten und Protzprinzen aus dem Nahen Osten sowie Korruptionskünstler aller Kontinente.

Inzwischen ist die Schweiz nicht mehr nur Standort für globales Gelichter. Sie wird gerade ausgebaut zum Resort – zum Ruheraum für Rechtsflüchtige, auch zum Clearing- und Transitraum für finanzielle Täuschungsmanöver.

Ein solch paradiesisches Exilland in der bösen Welt gieriger Steuerbehörden mit ihren gnadenlosen Fahndern und Richtern braucht hilfswilliges Fachpersonal. Es sitzt in Zug und Schwyz und Genf und im Tessin: Geschäftsanwälte sonder Zahl, Treuhänder, Finanzberater, Briefkastenspezialisten, Weltkundige weiterer Steuerparadiese, Strohmänner, Pfadfinder durchs Unterholz der Illegalität.

Alles, was das schwarze Herz begehrt.

Reputation? Vor 41 Jahren schlug Philippe de Weck vor, «keine Gelder von Staatsoberhäuptern und anderen Regimevertretern aus Entwicklungsländern mehr entgegenzunehmen». Der noble Freiburger, Verwaltungsratspräsident der Bankgesellschaft, sorgte sich um die Reputation der Schweiz. Er machte seinen Vorschlag in Zusammenhang mit dem ergaunerten Vermögen des gestürzten philippinischen Despoten Ferdinand Marcos: den «Marcos-Geldern». Sie lagerten – wo anders? – in der Schweiz. Sie wurden – wie anders? – von den Banken gegen die Rückgabe ans philippinische Volk verteidigt.

Philippe de Weck durfte man mit Fug noch einen Banquier nennen – inmitten von -Bankern.

Reputation? Ein neuer Bundesanwalt allein kann die nicht schaffen. Es bedarf einer neuen, international kompatiblen Infrastruktur des Rechts: einer ausgebauten Bundesanwaltschaft mit hoch engagierten, ausgekochten Profis für Untersuchung und Verfolgung, dazu entsprechend angepasste kantonale Staatsanwaltschaften.

Es braucht ein neues Selbstverständnis der Schweiz: Es darf nicht mehr anrüchig sein, wenn Geld-Geschäfte aus der Schweiz, durch die Schweiz oder in die Schweiz führen. Ehrenhaft muss es sein.

Die Schweiz – Label für ethische Qualität.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?